Hilfe - Suche - Mitglieder - Kalender
Komplette Version Besuch des Schmerzforum Rückenschmerzen

Bandscheiben-Forum > Wirbelsäulen-Forum
Seiten: 1, 2
Rena
Nachdem ich nun schon das Patientenforum „Rückenschmerzen“ an der Uni- Klinik in Göttingen angekündigt hatte, bin ich dann natürlich auch dorthin gefahren. (Dies war ein Marathon !) Zumal ich noch eine Überweisung in eine Schmerztherapie habe und ich mich so auch schon einmal informieren konnte. :frage

Wie bereits in der Ankündigung erwähnt, gab es drei Referate: Mediziner, Psychologe und Physiotherapeutin. Ich stelle nachstehend mal die an dem Abend getätigten Aussagen und gegebenen Informationen  vor.

Einleitend wurde auf die hohe Zahl der Rückenerkrankungen insbesondere der  enormen chronischen Erkrankungen ohne „organische“ oder andere Befunde. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Medizin hinsichtlich der Erkrankungsursachen und  deren Behandlung haben sich in den letzten 5 bis max. 10 Jahren grundlegend geändert, jedoch dauert die Kenntnisnahme und Umsetzung in der Behandlung in der allgemeinen Medizin ca. min. 20 – 30 Jahre. Wissenschaftlich nachgewiesen ist die Notwendigkeit eines multifaktorellen Vorgehens bei chronischen Rückenschmerzen. Dieses gliedert sich wie folgt:

1. Eine medizinische Betreuung – Ausführungen Prof. Dr. Jan Hildebrandt
Grundlegend für die Behandlung ist zunächst einmal die Diagnostik. BSV, Spinalkanalengen, Ostochondrosen u.ä. sind zu diagnostizieren und können Ursache von Schmerzen sein. Dabei wurden zeitliche „Spielräume“ benannt (ca. 1 Woche lang alles wie bisher weitermachen bei „Abarbeitung“ bestimmter Untersuchungen- ein Großteil der Beschwerden hat sich dann schon erledigt). Bei diesen Untersuchungen hat die „bildgebende Apparatemedizin“ nur untergeordnete Bedeutung. Da auf Röntgenbildern niemals! ein z.B. ein BSV feststellbar ist und MRT’s sehr kostspielig (im Vergleich zum Röntgen ist) und nun O-Ton „es ändert für den Patienten nichts an den Schmerzen, wenn er die Ursache kennt !!!“. „Ernsthaft Erkrankte befinden sich in guter medizinischer Betreuung“!!! Abhängig vom Beschwerdebild sind dann erst einmal medikamentöse oder physiotherap. Maßnahmen angesagt. Hier ist die körperliche Aktivierung des Patienten die wichtigste Aufgabe. Wissenschaftlich ist die Hauptursache von chronischen Rückenerkrankungen in den veränderten Arbeits- und Lebensweisen zu sehen. Der Anteil sitzender Tätigkeit in Beruf und Alltag ist enorm gestiegen. Inaktivität, mangelnde oder einseitige Bewegung oder Belastung bei fehlendem Ausgleich ist immer weiter fortschreitend. Die medizinische Bezeichnung für die daraus resultierenden Beschwerden heißt:

Dekonditionierungssyndrom.

Bei anhaltendem Beschwerdebild ist nach ca. 3 Monaten von einer Chronifizierung zu sprechen und nunmehr! eine zusätzliche psyhische Betreuung für eine erfolgreiche Behandlung unumgänglich.



2. Die psychische Betreuung – Ausführungen Priv.-doz. Dr. Michael Pfingsten, Dipl. Psychologe
Hier wurde zuerst einmal die Psyche als Krankheitsursache kurz angerissen. Jedoch spielt die Psyche bei chronischen Rückenschmerzen eine meist komplexere Rolle. Wahrnehmung von Schmerzen können Ängste erzeugen (bestes Beispiel: Zahnschmerzen), Einschränkungen im privaten wie auch beruflichen Umfeld, Kenntnis von Erkrankungen wirken über die Psyche auf den gesamten Körper und können so Reaktionen z. B: Fehlhaltungen, Fehlbelastungen zu muskulären Veränderungen führen. Studien belegen z. B: das allein die Vermutung von „Schlimmem“ zu enormen Veränderungen führt, diese Vermutungen können bereits durch ein einziges Wort ausgelöst werden. Andererseits wiederum können aber auch sehr umfangreiche Kenntnisse genau dasselbe auslösen... Deshalb ist es besonders wichtig, die genauen Mechanismen bei jedem einzelnen Patienten zu erkennen und den so entstandenen „Kreislauf“ zu unterbrechen. Dazu gibt es unterschiedliche gleichrangige Behandlungsmöglichkeiten: Einzel- oder Gruppentherapie, Erlernen von Entspannungstechniken als die Wichtigsten.

3. Die physiotherapeutische Betreuung – Ausführungen Dagmar Seeger, Physiotherapeutin
Sie erläuterte das auf der Grundlage der vorgenannten wissenschaftlichen Erkenntnisse die bedeutungsvollsten Ursachen für chronische Rückenschmerzen in Muskelfunktionsstörungen und Muskeldysbalancen, teilw. discoligamentare Überlastungen (Ü.last. der Bandsch.) zu sehen sind. Dies werden durch Schreibtischarbeit, Fließbandarbeit, einseitige Sportarten, Unfälle, Stürze, ungewohnte handwerkliche Tätigkeiten usw. ausgelöst. Deshalb wird  nach eingehender physiotherap. Befundung  (ist alles messbar!) ein für den jeweiligen Patienten zugeschnittenes Programm erstellt. Dies beinhaltet unter anderem – bei extremen Schmerzen- auch kurzzeitige passive Massnahmen des Therapeuten. Hier haben sich Anwendungen mit Eis ( nicht Kälte sondern Eis !) bewährt. Gleichzeitig setzt ein spezielles Training in Form von Einzel- oder Gruppentherapie ein. Dabei spielt das Gerätetraining eine ganz besondere Rolle. Es stellt den Schwerpunkt einer erfolgreichen physiotherapeutischen Betreuung dar. Die jahrelang proklamierte „Rückenschule“ hat nur in einer kurzen speziellen Erkrankungsphase ihre Berechtigung. Rückenpatienten sind deshalb zum Ende der Behandlung mit den Alltagsbedingungen wie „Kistenschleppen“, „Kästenschieben“ und das nicht mit „Schonbewegungen oder -haltungen“ zu trainieren. Das Minimum einer solchen Behandlung sind 6 Anwendungen, das Intensivprogramm umfasst 20 Termine alles a 4 Stunden (inklusive der medizinischen, psychischen und physiotherapeutischen Behandlungen, in dieser Zeit erfolgt AU-Schreibung) bei ca. 2 – 3 Anwendungen pro Woche. Eine gleichartige Behandlung wird auch in speziellen Schmerzkliniken z. B. in stationärer aber auch ambulanter Behandlung angeboten. Danach sind die meisten Erkrankten „beschwerdefrei“. Die Fortführung der erlernten Aktivität ist Grundvoraussetzung für  den Erhalt dieser „Beschwerdefreiheit“.

Grundsätzlich kann der Mensch alles auch mit Schmerzen machen, es gibt keine Gründe sich mit Schmerzen „ins Bett zu legen“. Schmerzen sind nicht die Ursache für die Einschränkung von Bewegung.  

In der anschließenden Diskussion wurde auf den fehlenden Zusammenhang von Befunden durch bildgebende Verfahren und Schmerzen (insbes. BSV) verwiesen. Die Hauptursache sind muskuläre Probleme, die wiederum durch „Faulheit“ zu fehlendem körperlichem Ausgleich von dem Betroffenen selbst verursacht sind.

Vorbeugung ist durch lebenslange! Aktivität in „Fitnesscentren“ mit entsprechenden therap. Umfeld, Mess- und Trainingsgeräten, individuelle Trainingsprogramme und –kontrolle (ähnlich Kieserstudios) möglich. Lebenslange „Wirbelsäulengymnastik“ ,wie sie in Sportvereinen angeboten wird,  ist gut, aber nicht geeignet, die benannten Beschwerden dauerhaft vorzubeugen oder zu beheben.

Alternativen Behandlungen wie Behandlungen mit Magnetwellen oder Osteopathie, craniosacrale Therapie wurden wegen fehlender wissenschaftlich erwiesener Wirkung als „bedeutungslos“, die Magnetwellen aufgrund der eigenen Erfahrungen der Physiotherapeutin als „wirkungslos“ bezeichnet.

Meine Frage, warum die so dargestellte Behandlungsmethodik nicht umfangreicher bei den „Rückenpatienten“ mit Schmerzen über mehr als 3 Monate angewandt wird, wurde mir von Prof. Dr. Jan Hildebrandt wie folgt beantwortet: „Rückenpatienten mit ernsthaften Erkrankungen befinden sich in guter medizinischer Betreuung und für die anderen ist es so, dass sich neue Erkenntnisse, wie anfangs schon gesagt, erst in einem Zeitraum von 20- bis 30 Jahren in der Praxis durchsetzen.“
:hair  

Mache sich jeder sein eigenes Bild. Die Notwendigkeit dieser 3 gliedrigen Behandlung nach 3 Monaten Schmerz“erleben“ sowie die schwerpunktmässige Orientierung auf intensive aber abgestimmte Belastung durch Gerätetraining ist sehr interessant. :?  Enttäuscht war ich allerdings von der geäußerten Ignoranz oder Arroganz, die bei der Beantwortung meiner Frage zu Tage trat...

Vielleicht hilft es ja hier im Forum einigen, gezieltere oder andere Behandlungen mit dem Arzt abzusprechen.

Liebe Grüße

Rena      :winke
JuliaK
hallo rena,

danke für den bericht.

ich bin entsetzt.

besonders die in punkt 1 aufgeführten thesen lassen meine haare zu berge stehen. ich bin wie du auch über die 3-monats-therapie dann automatisch psychische behandlung gestolpert.
ich habe selten soviel arroganz auf einem fleck erlebt.

ich frage mich, wie bandis jemals die nötige beachtung finden und nicht als faule simulanten abgestempelt werden sollen (im sinne von: man sieht ja nix, also bist du gesund und nun beweise mir das gegenteil, vor allem nach 3 monaten), wenn sie keine lobby haben und "experten" öffentlich solche meinungen kundtun.

:hair  :hair
Ralf
Hallo Rena,

vielen Dank für Deinen Bericht, welcher genau das wiederspiegelt, wie wir Rückenkranke behandelt werden.

Zitat
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Medizin hinsichtlich der Erkrankungsursachen und  deren Behandlung haben sich in den letzten 5 bis max. 10 Jahren grundlegend geändert, jedoch dauert die Kenntnisnahme und Umsetzung in der Behandlung in der allgemeinen Medizin ca. min. 20 – 30 Jahre


Wenn schon die Erkenntnis eine andere ist, warum dauert dann eine Umsetzung 20-30 Jahre? Sind unsere Mediziner so beschränkt in ihrer geistigen Wissensaufnahme?

Zitat
Dabei wurden zeitliche „Spielräume“ benannt (ca. 1 Woche lang alles wie bisher weitermachen bei „Abarbeitung“ bestimmter Untersuchungen- ein Großteil der Beschwerden hat sich dann schon erledigt).


Vielleicht ist hier der Hebel anzusetzen, damit die Krankenkassen ihr Budget nicht überstrapazieren und den Ärzten das Geld in den Rachen schmeissen. Vielleicht schenken wir uns diese eine Woche auch noch, die lediglich den Ärzten Geld bringt, dem Patienten aber keine Erfolge.

Zitat
es ändert für den Patienten nichts an den Schmerzen, wenn er die Ursache kennt !!!“.


Und ich war immer der Meinung, daß nur eine gesicherte Diagnose weitere qualifizierte Behandlungen ermöglichen. So kann man sich täuschen. :(

Zitat
Ernsthaft Erkrankte befinden sich in guter medizinischer Betreuung


Genau der Meinung bin ich nicht. Die Frage, die sich aus obigen Behauptungen stellt, ist, wie will man denn unterscheiden zwischen einem Simulanten  und einem ernsthaft kranken? Letztendlich stimmt dann doch wieder die Vermutung, daß sowohl beim Arzt wie bei Behörden der Knobelbecher das wichtigste Utensil ist. Aber wahrscheinlich ist es normal, wenn man sich vor Augen führt, daß der Ursprung der Medizin beim Medizinmann liegt, welcher eben mit Knochen und einem Tuch die Krankheit deutet.

Es ist schade, daß man sich solche "Weisheiten" von einem Professor anhören muß. Studium verfehlt, setzen - 6!

Leider zählt in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr die Wahrheit, sondern ist abgelöst worden von Promotion. M...markt....ich bin doch nicht blöd.

Ralf
Sabrina
Hallo Rena,

ich frage mich wie du das ausgehalten hast, sehr tapfer.
Bleibt einem nur übrig den Werten Herren und Damen einen
deftigen Bandscheibenvorfall zu wünschen-mal schauen ob sie dann auch noch so daherreden.
Naja, auch jene werden ihren Meister finden, da bin ich mir sicher und wir machen eben einen großen Bogen drum und suchen die Wenigen, die wirklich interessiert sind am Wohlergehen ihrere Patienten.

Liebe Grüße Sabrina
Harro
Welch eine Ignoranz!!

Asche auf mein Haupt, ich habe gesündigt, ich hab Rückenschmerzen.
Amen!   :r

Ich glaub mehr braucht man nicht zu sagen.

Harro
Christian
Hallo,

auch ich habe gedacht, das darf doch nicht wahr sein, was ein Professor da kundtut.

Ich schließe mich den Vorrednern da eindeutig an, insbesondere Julia. Die in Punkt 1 gemachten Äußerungen sind hahnebüchen und ein Schlag ins Gesicht für alle Patienten hier in diesem, aber auch in anderen Foren.

Ich frage mich, was einen Mdiziner zu solchen Äußerungen führen kann.
JuliaK
eigentlich müsste man eine gegen-veranstaltung organisieren.
bandis mit "normalem" und schwerem konservativen verlauf sowie operierte und mischtypen zusammentrommeln und vorträge absprechen.
vor allem die mangelversorgung durch viele ärzte (husch husch) sowie simulantentum, schmerzdauer und -intensität, die auswirkungen auf die psyche (rausgerissen aus job und sozialleben, verdammt auf die couch, nachts nicht schlafen können...) sollten ein thema sein.

da hätte ich richtig lust drauf. und dann durch deutschland ziehen und einige vorträge halten...
Hansel
Ich bin absolut schockiert und entsetzt über diesen Bericht.
Mir fehlen echt die Worte!!!

Wie schon gesagt wurde, diese Leute möchte ich mal sehen
mit (wie bei mir) mit 4 akuten Vorfällen !!!
Genau das wären die Leute, die heulend, jammernd und wimmernd im Bett liegen würden, gewscheige denn Kisten schleppen und Muckelbude. Tut mir leid, für so viel dämliches Gerede empfinde ich wirklich nur noch Wut!!!  :O

Ich habe alle Therapieformen durch, alles ausprobiert, liege seltenst im Bett herum, bin aktiv, habe sofort wieder gearbeitet als es möglich war...!!!

Was die craniosacrale Therapie angeht, welche hier in Zweifel gezogen wird... Ich mache das seit einem Jahr ! Mit grossem
Erfolg. Bei mir war es die einzige Therapie die angeschlagen hat.

Wie gesagt, mir fällt nichts mehr dazu ein. Ich bin sprachlos!!!
Hansi
Hi, Leute
auch mir bleibt nichts anderes übrig als den Kopf zu schütteln.
Ich traue mich gar nicht zu sagen, dass mein Geburtsort ausgerechnet Göttingen ist. Meine einzige Hoffnung jedem in die augen schauen zu können ist die, dass die ach so lieben
Rhetoriker nur in der Uni in Göttingen dozieren aber sonst nichts mit meiner Heimatstadt zu tun haben. Ich habe schon viel Arroganz, Ignoranz und in allererster Linie Impertinenz
auf einem Haufen gesehen, aber das schlägt dem Fass wirklich den Boden aus. Auch mir bleit nichts anderes übrig als meinen
Vorgängern im Bericht absolute Zustimmung zu geben!
@ Rena
Hallo Du, eine Frage an Dich. Hast Du das zufällig mitgeschnitten? Wenn ja, wäre ich brennend an diesen wörtlichen Aussagen interessiert!
Was sagte mein Oma immer: "Hansi schlfa eine Nacht darüber und dann reagiere erst. Vielleicht fällt uns ja tatsächlich was "richtig freundliches" ein. Ich drücke es mal ganz vorsichtig und als Frage aus: Gibt es Menschen welche Gehirnzerrose haben?

Hansi

:kinn
Christian
Gibt es nicht so etwas wie eine Patientenvereinigung ? Ich meine ich hätte da mal etwas gehört.
Kenn da jemand einen Link ?

Vielleicht würden die sich auch für Rena Bericht interessieren.
:h
Seiten: 1, 2
Dies ist eine "Lo-Fi"-Version unseres Inhalts. Zur kompletten Version mit mehr Informationen, Formatierungen und Bildern bitte hier klicken .
Invision Power Board © 2001-2025 Invision Power Services, Inc.
Angepasst von Shaun Harrison
Übersetzt und modifiziert von Fantome et David, Lafter