
Wie bereits in der Ankündigung erwähnt, gab es drei Referate: Mediziner, Psychologe und Physiotherapeutin. Ich stelle nachstehend mal die an dem Abend getätigten Aussagen und gegebenen Informationen vor.
Einleitend wurde auf die hohe Zahl der Rückenerkrankungen insbesondere der enormen chronischen Erkrankungen ohne „organische“ oder andere Befunde. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Medizin hinsichtlich der Erkrankungsursachen und deren Behandlung haben sich in den letzten 5 bis max. 10 Jahren grundlegend geändert, jedoch dauert die Kenntnisnahme und Umsetzung in der Behandlung in der allgemeinen Medizin ca. min. 20 – 30 Jahre. Wissenschaftlich nachgewiesen ist die Notwendigkeit eines multifaktorellen Vorgehens bei chronischen Rückenschmerzen. Dieses gliedert sich wie folgt:
1. Eine medizinische Betreuung – Ausführungen Prof. Dr. Jan Hildebrandt
Grundlegend für die Behandlung ist zunächst einmal die Diagnostik. BSV, Spinalkanalengen, Ostochondrosen u.ä. sind zu diagnostizieren und können Ursache von Schmerzen sein. Dabei wurden zeitliche „Spielräume“ benannt (ca. 1 Woche lang alles wie bisher weitermachen bei „Abarbeitung“ bestimmter Untersuchungen- ein Großteil der Beschwerden hat sich dann schon erledigt). Bei diesen Untersuchungen hat die „bildgebende Apparatemedizin“ nur untergeordnete Bedeutung. Da auf Röntgenbildern niemals! ein z.B. ein BSV feststellbar ist und MRT’s sehr kostspielig (im Vergleich zum Röntgen ist) und nun O-Ton „es ändert für den Patienten nichts an den Schmerzen, wenn er die Ursache kennt !!!“. „Ernsthaft Erkrankte befinden sich in guter medizinischer Betreuung“!!! Abhängig vom Beschwerdebild sind dann erst einmal medikamentöse oder physiotherap. Maßnahmen angesagt. Hier ist die körperliche Aktivierung des Patienten die wichtigste Aufgabe. Wissenschaftlich ist die Hauptursache von chronischen Rückenerkrankungen in den veränderten Arbeits- und Lebensweisen zu sehen. Der Anteil sitzender Tätigkeit in Beruf und Alltag ist enorm gestiegen. Inaktivität, mangelnde oder einseitige Bewegung oder Belastung bei fehlendem Ausgleich ist immer weiter fortschreitend. Die medizinische Bezeichnung für die daraus resultierenden Beschwerden heißt:
Dekonditionierungssyndrom.
Bei anhaltendem Beschwerdebild ist nach ca. 3 Monaten von einer Chronifizierung zu sprechen und nunmehr! eine zusätzliche psyhische Betreuung für eine erfolgreiche Behandlung unumgänglich.
2. Die psychische Betreuung – Ausführungen Priv.-doz. Dr. Michael Pfingsten, Dipl. Psychologe
Hier wurde zuerst einmal die Psyche als Krankheitsursache kurz angerissen. Jedoch spielt die Psyche bei chronischen Rückenschmerzen eine meist komplexere Rolle. Wahrnehmung von Schmerzen können Ängste erzeugen (bestes Beispiel: Zahnschmerzen), Einschränkungen im privaten wie auch beruflichen Umfeld, Kenntnis von Erkrankungen wirken über die Psyche auf den gesamten Körper und können so Reaktionen z. B: Fehlhaltungen, Fehlbelastungen zu muskulären Veränderungen führen. Studien belegen z. B: das allein die Vermutung von „Schlimmem“ zu enormen Veränderungen führt, diese Vermutungen können bereits durch ein einziges Wort ausgelöst werden. Andererseits wiederum können aber auch sehr umfangreiche Kenntnisse genau dasselbe auslösen... Deshalb ist es besonders wichtig, die genauen Mechanismen bei jedem einzelnen Patienten zu erkennen und den so entstandenen „Kreislauf“ zu unterbrechen. Dazu gibt es unterschiedliche gleichrangige Behandlungsmöglichkeiten: Einzel- oder Gruppentherapie, Erlernen von Entspannungstechniken als die Wichtigsten.
3. Die physiotherapeutische Betreuung – Ausführungen Dagmar Seeger, Physiotherapeutin
Sie erläuterte das auf der Grundlage der vorgenannten wissenschaftlichen Erkenntnisse die bedeutungsvollsten Ursachen für chronische Rückenschmerzen in Muskelfunktionsstörungen und Muskeldysbalancen, teilw. discoligamentare Überlastungen (Ü.last. der Bandsch.) zu sehen sind. Dies werden durch Schreibtischarbeit, Fließbandarbeit, einseitige Sportarten, Unfälle, Stürze, ungewohnte handwerkliche Tätigkeiten usw. ausgelöst. Deshalb wird nach eingehender physiotherap. Befundung (ist alles messbar!) ein für den jeweiligen Patienten zugeschnittenes Programm erstellt. Dies beinhaltet unter anderem – bei extremen Schmerzen- auch kurzzeitige passive Massnahmen des Therapeuten. Hier haben sich Anwendungen mit Eis ( nicht Kälte sondern Eis !) bewährt. Gleichzeitig setzt ein spezielles Training in Form von Einzel- oder Gruppentherapie ein. Dabei spielt das Gerätetraining eine ganz besondere Rolle. Es stellt den Schwerpunkt einer erfolgreichen physiotherapeutischen Betreuung dar. Die jahrelang proklamierte „Rückenschule“ hat nur in einer kurzen speziellen Erkrankungsphase ihre Berechtigung. Rückenpatienten sind deshalb zum Ende der Behandlung mit den Alltagsbedingungen wie „Kistenschleppen“, „Kästenschieben“ und das nicht mit „Schonbewegungen oder -haltungen“ zu trainieren. Das Minimum einer solchen Behandlung sind 6 Anwendungen, das Intensivprogramm umfasst 20 Termine alles a 4 Stunden (inklusive der medizinischen, psychischen und physiotherapeutischen Behandlungen, in dieser Zeit erfolgt AU-Schreibung) bei ca. 2 – 3 Anwendungen pro Woche. Eine gleichartige Behandlung wird auch in speziellen Schmerzkliniken z. B. in stationärer aber auch ambulanter Behandlung angeboten. Danach sind die meisten Erkrankten „beschwerdefrei“. Die Fortführung der erlernten Aktivität ist Grundvoraussetzung für den Erhalt dieser „Beschwerdefreiheit“.
Grundsätzlich kann der Mensch alles auch mit Schmerzen machen, es gibt keine Gründe sich mit Schmerzen „ins Bett zu legen“. Schmerzen sind nicht die Ursache für die Einschränkung von Bewegung.
In der anschließenden Diskussion wurde auf den fehlenden Zusammenhang von Befunden durch bildgebende Verfahren und Schmerzen (insbes. BSV) verwiesen. Die Hauptursache sind muskuläre Probleme, die wiederum durch „Faulheit“ zu fehlendem körperlichem Ausgleich von dem Betroffenen selbst verursacht sind.
Vorbeugung ist durch lebenslange! Aktivität in „Fitnesscentren“ mit entsprechenden therap. Umfeld, Mess- und Trainingsgeräten, individuelle Trainingsprogramme und –kontrolle (ähnlich Kieserstudios) möglich. Lebenslange „Wirbelsäulengymnastik“ ,wie sie in Sportvereinen angeboten wird, ist gut, aber nicht geeignet, die benannten Beschwerden dauerhaft vorzubeugen oder zu beheben.
Alternativen Behandlungen wie Behandlungen mit Magnetwellen oder Osteopathie, craniosacrale Therapie wurden wegen fehlender wissenschaftlich erwiesener Wirkung als „bedeutungslos“, die Magnetwellen aufgrund der eigenen Erfahrungen der Physiotherapeutin als „wirkungslos“ bezeichnet.
Meine Frage, warum die so dargestellte Behandlungsmethodik nicht umfangreicher bei den „Rückenpatienten“ mit Schmerzen über mehr als 3 Monate angewandt wird, wurde mir von Prof. Dr. Jan Hildebrandt wie folgt beantwortet: „Rückenpatienten mit ernsthaften Erkrankungen befinden sich in guter medizinischer Betreuung und für die anderen ist es so, dass sich neue Erkenntnisse, wie anfangs schon gesagt, erst in einem Zeitraum von 20- bis 30 Jahren in der Praxis durchsetzen.“

Mache sich jeder sein eigenes Bild. Die Notwendigkeit dieser 3 gliedrigen Behandlung nach 3 Monaten Schmerz“erleben“ sowie die schwerpunktmässige Orientierung auf intensive aber abgestimmte Belastung durch Gerätetraining ist sehr interessant.

Vielleicht hilft es ja hier im Forum einigen, gezieltere oder andere Behandlungen mit dem Arzt abzusprechen.
Liebe Grüße
Rena
