Hallo Christina,
eine interessante Petition, und ich habe über den Inhalt lange nachgedacht.
Da ich ja auf beiden Seiten stehe als einerseits geschädigte (denn anders kann man die Blasenlähmung nicht bezeichnen, auch wenn ich nicht vorhabe zu klagen) und andererseits in einem heiklen Bereich tätige Ärztin (Geburtshilfe) gebe ich folgendes zu bedenken:
Schon jetzt geht es im medizinischen Bereich häufig eher um rechtliche Absicherung als um eine patientInnenzugewandte Aufklärung. Die hohen Kaiserschnittraten sind unter anderem auch der Angst geschuldet, verklagt zu werden (und nicht, wie oft behauptet, weil die Häuser damit mehr Geld verdienen, denn das mag vielleicht die Verwaltung interessieren, aber nicht den angestellten Arzt, ich bekomme das gleiche Gehalt, egal wovon ich die Frau überzeuge).
Wenn du grundsätzlich eine Beweislastumkehr forderst und durchsetzt stehst du als Mediziner immer mit einem Bein im Knast. In unserem Bereich zum Beispiel: beweis mal, dass die schlechten Noten eines Kindes nicht mit z.B. eine etwas längeren Geburtsverlauf zusammenhängen, das kannst du nicht , und das Beispiel ist nicht aus der Luft gegriffen, solche Klagen gibt es, und nicht wenige.
In einem solchen angstbesetzten System möchte ich nicht mehr arbeiten. Du kannst dir sicher sein, dass Kaiserschnittraten über 50 % ansteigen werden. Und du findest schon jetzt nur noch mit Schwierigkeiten Ärzte der jüngeren Generation die bereit sind eine Oberarzt- oder Chefarztstelle anzustreben, weil sie diese Verantwortung nicht mehr tragen wollen.
Ich glaube nicht, dass sich durch diesen Generalverdacht das Medizinsystem verbessert. Ich denke, dass Ansätze auf ganz anderen Ebenen (Schließung von Häusern minderer Qualität und zu kleinen Fallzahlen, Veringerung des Einflusses von Pharmaindustrie und Medizinproduktefirmen durch konsequentes Vorgehen gegen Lobbyismus und Korruption etc..) wesentlich effektiver wären.
Auch wenn ich mich damit vielleicht unbeliebt mache, aber dadurch dass ich eben auf beiden Seiten stehe (

geht nicht, weiss ich) denke ich es muss einen vernünftigen Mittelweg zwischen dem geforderten und dem Ist-Zustand geben.
LG, Elke