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Komplette Version KÖRPER; Psyche und Bewegungseinschränkungen

Bandscheiben-Forum > Wirbelsäulen-Forum
Rückenruth
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Liebe Mitstreiterinnen, ich bin hier, weil ich eine 4 Jahre dauernde Krankheitsgeschichte habe und mir langsam die positive Weltsicht ausgeht.
Ich bin 57 Jahre alt und habe Sport-und Bewegungswissenschaft als Beruf gewählt.
Mit 32 Jahren hatte ich nach Beendigung des Studiums und 4 Jahre Berufstätigkeit in einer psychiatrischen Klinik einen Bandscheibenvorfall. Damals war meiner Vater in der neurologischen Abteilung unseres Krankenhauses nach einem postoperativen Schlaganfall. Nach seinem Tod kam der Prolaps. Ich erklärte mir das Geschehen aufgrund der starken psychischen Belastung in der Arbeit und mit meinem Vater, denn fit war ich damals sehr. Ich machte intensiv Feldenkrais über 3 Jahre hinweg und nach der Reha, die erst möglich war nachdem die akuten Beschwerden vorbei waren, regelmässig Gerätetraining, Inliner, radeln... Gleichzeitig wurde bei mir eine strake Hüftdysplasie festgestellt gegen die ich auch Gelenkstabilisierendes Training über 25 Jahre machte.
Ich war stolz auf mich und konnte bald alle Sportarten wieder betreiben: radeln, Bergwandern, Fitness, Tanzen und hatte mir rückengerechtes Bewegen angewöhnt.
Das ging fast 20 Jahre gut bis vor 5 Jahren ein langjähriger Betrug meines Ehemannes, den ich während der Zeit der Arbeit in Psychiatrie als Kollegen kennengelernt hatte.
Nach dem 1. Polaps entschied ich mich auch dafür die Klinik als Arbeitsplatz zu verlassen, weil ich morgens entspannt die Klinik betrat und abends stocksteif wieder verlies. Wir gingen gemeinsam an einen neuen Wohnort und ich begann mit Begeisterung meine Tätigkeit als Dozentin, promovierte und machte erfolgreich eine Hochschulkarriere. Mein EX war mein fester Anker bis 2012.

Als ich seinen Betrug entdeckte brach in mir eine Welt zusammen. smilie_bank.gif Ich holte mir psychologische Hilfe zur Bewältigung und habe es ganz gut geschafft. Als ich im Jahr 2013 nach dem Trennungsjahr die Scheidung einreichte bekam ich plötzlich heftige Schmerzen im Hüftgelenk und die Diagnose einer Entzündung. wie meist ging ich zu spät zum Arzt, so dass der Gelenkabbau wegen der Entzündung zunahm.

Danach folgten 3,5 Jahre konservative Behandlung bis ich mich schließlich zur OP entschied. Dazwischen kam noch ein Bänderriss, ein Sturz beim Renovieren mit Gehirnerschütterung mit Mikrotraumen im rechten Fuss. Ich habe immer weiter gearbeitet.
Ich wartete bis alles ausgeheilt war und dann kam am 17.10.17 die OP mit Reha. Mein Rücken ist mir durch die Hüftgeschichte irgendwie abhanden gekommen. natürlich glich ich die mangelnde Beweglichkeit in der Hüfte durch den Rücken aus und bemerkte nicht mehr wie stark ich ihn belastete. und nun bin ich hier mit Prolaps, starken Schmerzen beim Gehen und höllischen Schmerzen nachts . Ich habe nie mit dem Gerätetraining aufgehört, bin geradelt, habe ich mich durch alles durchgeboxt und nun am Ende mit meinem Latein. Danke fürs lesen!
Ich freue mich auf Austausch.
odysseus
Hallo Rückenruth,

erst einmal Willkommen hier im Forum.

Ich bin vermutlich gar nicht die richtige, um Dir zu schreiben, und hoffe, dass Du noch andere Antworten bekommen wirst. Ich will Dir trotzdem ein bisschen von meiner Sicht der Dinge erzählen (die natürlich auf meiner persönlichen Geschichte beruht).

Eines ist mir, besonders in den letzten Jahren, sehr wichtig geworden:

Wir leben in einer Welt, in der einem gerne vermittelt wird, man könne sich so verhalten, dass man gesund bleibe, und alles heile wieder irgendwie. Damit geht in gewisser Weise einher, dass man selber die Verantwortung für die eigene Gesundheit habe - und im Umkehrschluss wird daraus leicht die Verantwortung für die eigene Krankheit und die Frage: "Was habe ich falsch gemacht?", wenn man körperliche Beschwerden bekommt, bzw. "Was hat der Arzt falsch gemacht?", wenn man nicht wieder topfit wird. Dabei ist es letzten Endes der normale Lauf der Dinge, dass jeder Mensch im Lauf seines Lebens früher oder später körperliche Probleme bekommt. Und die Menschen sind unterschiedlich, jeder bringt, auch aufgrund seiner Genetik, ganz unterschiedliche Voraussetzungen und eventuell auch ganz eigene Schwachstellen mit.

Mir ist es wirklich wichtig geworden, in der Hinsicht sich selber und seinem Körper gegenüber nicht so kritisch zu sein. Ich selber habe erst nach vielen Jahrzehnten erfahren, dass ich eine genetische Erkrankung habe, bei der der Körper so einige Schwachstellen hat (Hüftdysplasie, früher Wirbelsäulenverschleiss und erhöhte Gewebebrüchigkeit/Verletzungsanfälligkeit sind übrigens bei dieser Erkrankung häufiger der Fall, neben Hypermobilität und anderen Schwachstellen). Zuvor hatte ich mich gequält, um irgendwie Schritt zu halten, und manchmal schwang da schon ein bisschen das Gefühl persönlicher Schuld, persönlichen Versagens mit, ganz besonders, wenn Ärzte dann nach psychischen Aspekten suchten und bohrten (die es in meinem Fall aber nicht gab - wobei es auch logisch ist, dass der Körper unter Stress schlechter heilen kann und bestehende körperliche Schwachstellen schlechter kompensieren kann. An unikausale körperliche Beschwerden aufgrund psychischer Belastung glaube ich persönlich nicht; ich denke, wenn körperliche Beschwerden auftreten, ist da auch eine körperliche Schwachstelle). Das hatte manchmal fast etwas davon, dass danach gesucht wurde, aufgrund welcher Lebensentscheidungen ich diese körperlichen Symptome hatte, da schwingt schon eine Schuldfrage mit - was, finde ich, eine ganz schöne Belastung sein kann.

Für mich kann ich heute sagen, dass mein Körper unter schwierigen Bedingungen wirklich Großartiges geleistet hat, und ich bin stolz und freue mich über das, was ich trotz dieser Schwachstellen alles geschafft und erlebt habe. Und ich bin geduldig mit meinem Körper, höre auf ihn, respektiere die Grenzen, die er mir setzt. Es ist nicht mehr so wie früher, nein. Aber ich bin dankbar für all das Gute in meinem Leben, und ich suche immer wieder kreativ nach Wegen und Möglichkeiten, möglichst selbstbestimmt und glücklich zu leben und in meinem Leben etwas Gutes zu bewirken. Ich habe meinen Frieden gemacht mit den Dingen, die ich nicht ändern kann - wie damit, dass mein Körper Schwachstellen hat und ich Tage und Phasen mit mehr Symptomen habe. Und ich investiere Energie in die Dinge, die ich ändern kann - wie z.B. mit der richtigen Mischung aus angepasstem Training und Respektieren meiner Grenzen ein möglichst gutes Funktionsniveau zu erhalten, auf dem ich gute Tage habe und aktiver sein kann.

Ich selber habe keinen Prolaps, dazu können Dir hier bestimmt andere bessere Tipps geben. Ich weiss soviel dazu, dass Du vermutlich schon eher angeleitete Bewegungen machen und dabei vorsichtig sein solltest, damit nicht noch mehr Bandscheibenmaterial austritt. Und ich meine, dass innerhalb von 6-10 Wochen das Bandscheibenmaterial eintrocknen und sich dabei zurückziehen kann, so dass eventuell Nervenstrukturen nicht mehr so bedrängt werden. Hast Du denn schon ein MRT? Wie lange ist der Prolaps schon her?

Viele Grüße und alles Gute Dir,
odysseus
Pimbo71
Guten Morgen liebe Rückenruth

So ein Prolaps kann verdammt weh tun und wie schon Odysseus gefragt hat: Hast Du schon ein MRT gemacht? Steht Dir eventuell sogar einen OP bevor?

Ansonsten kann ich Dir nur raten, weiterhin alles rückengerecht zu machen. Mir wurde sogar gesagt, dass ich etwas Sport machen darf, einfach nicht über die Schmerzgrenze hinaus.


Heute - nach einem Jahr der grossen Rücken-OP - habe ich immer noch Muskelschmerzen und muss starke Medikamente einnehmen. Alles braucht halt seine Zeit.

Nimmst Du auch Schmerzmittel ein? Wenn ja, welche?

Ich wünsche Dir, dass die Schmerzen erträglich werden und ein schönes Wochenende.

Liebe Grüsse
Pimbolina
Rückenruth
Hallo Pimbolina,
Hallo Odyseus,
hier beantworte ich erst mal Eure Sachfragen:
Ich habe ein MRT gemacht und nehme seit fast 3 Wochen Voltaren Resinat morgens und abends. Heute ist der zweite Tag ohne Tabletten und ich nutze noch Voltaren Schmerzgel, das vermutlich eher ein Placebo ist. Ich habe ein sehr hilfreiches Buch entdeckt und mache heute den 3. tag die dort vorgeschlagenen Übungen 5 x täglich außerdem war ich im Fitnessstudio. Das Buch empfahl auch ein genaues Schmerztagebuch zu führen, um herauszufinden was gut tut und was nicht. Kriterium, dass es hilft ist die Tatsache, ob die Schmerzen von der Peropherie in den Rücken zurückkehren. Das ist meist so.


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Doris Brötz, Michael Weller
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Es tut mir sehr gut mit Euch zu schreiben.
DANKE! RÜRu wink.gif
Rückenruth
Hallo Odysseus,
Deine Antwort hat mich sehr bewegt und Du bist der Richtige, um mir zu antworten. Als Mensch, der sich gern bewegt und sich das zum Beruf gemacht hat, empfinde ich besonders viel Scham darüber, dass ich mich zur Zeit nicht so bewegen kann wie ich es möchte.
Ich fühle mich in meinem Körper gefangen, da scheint es auch eine Strategie zu sein die Machtlosigkeit in den Griff zu bekommen, wenn ich denke, dass ich das und das falsch gemacht habe.
Zur Zeit lese ich ein Buch von Sabrina Fox "Was die Seele braucht", ist ein bisschen abgefahren und esoterisch angehaucht, aber Sie sagt wir haben den Körper, den unsere Seele sich ausgesucht hat. Ich habe einen Körper, der als Frühgeburt zur Welt kam und schon da am Kämpfen war. Das Kämpfen war bisher mein Lebensmodus und Aushalten auch. Und nun bin ich körperlich damit konfrontiert, beneide alle die in meinem Alter beschwerdefrei durchs Leben gehen und darf loslassen. Erst jetzt beginne ich zu begreifen, was es wirklich heißt, Freundschaft mit dem eigenen Körper zu schließen.
Ich habe Ausbildungen in Körpertherapie und versuche Studierenden Freude an Bewegung zu vermitteln. Tja, und seit 5 Jahren mache ich da eine besondere Art der Selbsterfahrung. smilie_up.gif Es ist eine Lebensaufgabe tatsächlich auf den Körper zu hören und dabei das Leben weiter aktiv zu gestalten, um mit den eigenen Grenzen umzugehen.
Ich wünsche Dir einen schönen Tag, Rückenruth sonne.gif
odysseus
Hallo Rückenruth,

bitte entschuldige meine späte Antwort - irgendwie kam die Benachrichtigung über die neuen Beiträge im Thread bei mir nicht an.

Weisst Du, ich habe mir in den letzten Jahren recht viele Gedanken gemacht. Mein Körper hat immer seine Schwachstellen gehabt, und ganz lange gab es keine Erklärung dafür. Da hat man sich natürlich mit verschiedenen Erklärungsansätzen auseinandergesetzt und versucht, für sich Antworten zu finden. Und man ist mit vielen Erklärungsansätzen anderer Menschen konfrontiert worden, und so manche davon haben sich so gar nicht passend angefühlt und gar kein gutes Gefühl geweckt. Manche gab es auch, die mit großer Überzeugung vorgetragen wurden, aber die statt zu Verbesserungen zu Verschlechterungen geführt haben. Ich bin da schon recht kritisch geworden und habe versucht, zu verstehen, was der Hintergrund dieser verschiedenen Ratschläge ist und wie gerechtfertigt sie eigentlich sind. Und ja, die Diagnose war für mich auch insofern eine Erleichterung, weil es mir einen ganz neuen Respekt gegenüber den Leistungen meines Körpers gebracht hat, ein stärkeres Vertrauen in meine Fähigkeit, mich selber einzuschätzen, und die Freiheit davon, der Norm entsprechen zu müssen.

Für mich ist in den letzten Jahren folgendes ganz wichtig geworden: Menschen sind unterschiedlich, und weder die Medizin noch eine andere Wissenschaft weiss alles. Unser Wissen ist unvollständig, und jede Therapieempfehlung beruht auf unvollständigem Wissen. Selbst, wenn eine Therapieempfehlung einer Mehrzahl an Menschen hilft, kann man daraus nicht schliessen, dass sie einem einzelnen Menschen helfen wird, denn Therapieempfehlungen orientieren sich am Durchschnitt, und es kann auch immer Outlier geben. Und wenn die Therapieempfehlung einem einzelnen Menschen nicht hilft, dann darf man es sich nicht so leicht machen, anzunehmen, man würde die Gründe dafür schon kennen (wie mangelnde Compliance, psychische Belastungen oder Ähnliches). Man kann in andere Menschen nicht hineinsehen, und wenn man will, dass sich die Wissenschaft und die Medizin weiterentwickelt, dann ist es besser, keine vorschnellen Erklärungen anzunehmen, sondern dann ist es besser, genau hinzuschauen. Vor allem finde ich es ethisch und psychologisch wirklich problematisch, wenn man in solchen Fällen eine Eigenverantwortung bzw. eine Schuld impliziert.

Ich denke, so gut wie jeder Mensch wird in seinem Leben früher oder später die Erfahrung machen, dass körperliche Beschwerden kommen und man geduldig mit seinem Körper sein, Schwachstellen annehmen und das Leben anpassen muss. Auch ich kenne das, dass ich immer die Zähne zusammengebissen habe und vieles noch möglich gemacht habe - das geht aber mit bestimmten Erkrankungen nicht mehr, weil man sich damit ggf. weitere neurologische Verletzungen und Verschlechterungen einfängt, da muss man wirklich lernen, die Grenzen des Körpers zu erkennen und zu respektieren. Das ist natürlich eine Umstellung und auch ein Verlust. Man braucht Zeit, um die neue Realität kennenzulernen (und eine Dokumentation, was gut tut und was nicht, kann dabei wirklich helfen). Man braucht Kreativität, um das, was nicht mehr geht, zu ersetzen mit anderen Dingen, die einem Freude machen und das Leben bereichern. Man braucht manchmal auch ein dickes Fell, um sich über externe Erwartungshaltungen hinwegzusetzen, und das Selbstbewusstsein, dem eigenen Körperempfinden mehr zu vertrauen als den Empfehlungen anderer (denn, wie gesagt, man kann vieles ausprobieren, aber nicht jede Therapieempfehlung hilft jedem).

Zur Zeit lese ich das Buch "Die Gesundheitsdiktatur" von Professor Peter Nawroth. Im Prinzip geht es dabei im Kern um ein anderes Thema, aber ich denke, manches daraus kann man übertragen. Er stellt die Frage, inwiefern die Studienlage es denn überhaupt hergibt, dass man mit gesundem Leben Erkrankungen vermeiden könne, oder ob das nicht eher auf einer Illusion der dauerhaften Gesundheit beruht und einen moralischen Druck aufbaut, den die Studienlage nicht hergibt und der eigentlich ethisch bedenklich ist. Ich gebe ihm da wirklich recht.

Ich finde es wichtig, seinen Frieden mit seinem Körper zu machen und nicht gegen ihn zu kämpfen. Er leistet unter schwierigen Bedingungen Enormes, auch, wenn er damit vielleicht nicht alle Erwartungen von außen erfüllt. Und gerade im Bereich Wirbelsäule, wenn mechanische Einflüsse Nervenwurzeln oder gar das Rückenmark bedrängen und verletzen können, finde ich es sehr wichtig, diese Grenzen zu respektieren. Schutz von Nervenstrukturen hat für mich Vorrang, denn Nervenstrukturen - vor allem das Rückenmark - sind nicht gut regenerationsfähig. Da ist weniger oft mehr. Ich weiss, das ist nicht einfach, wenn man sonst alles wegtrainiert hat. Das geht in diesem Bereich nicht unbedingt.

Ob ich das Kriterium, ob die Schmerzen aus der Peripherie in den Rücken zurückgehen, so unterschreiben kann, weiss ich ehrlich gesagt nicht - auch da würde ich Dir raten, Deinen Körper gut zu beobachten, ob Dir das gut tut, auch in den zwei Folgetagen (denn manches tritt verzögert auf), und im Zweifel eher auf Deinen Körper zu hören als auf das Buch. Für mich ist das Hauptkriterium, ob etwas Ausfallerscheinungen triggert, und die sind teilweise auch schmerzfrei.

Und ja, diese zwei Sätze würde ich absolut so unterschreiben:

Zitat
Erst jetzt beginne ich zu begreifen, was es wirklich heißt, Freundschaft mit dem eigenen Körper zu schließen.


Zitat
Es ist eine Lebensaufgabe tatsächlich auf den Körper zu hören und dabei das Leben weiter aktiv zu gestalten, um mit den eigenen Grenzen umzugehen.


Ich würde auch sagen, das ist ein Lernfeld, an dem ich wirklich gewachsen bin. Diese Akzeptanz und diese Freundschaft mit dem eigenen Körper, das Bewusstsein über eigene Schwachstellen und eigene Stärken, habe ich gelernt in den letzten Jahren. Da sind wir anderen Menschen, die diese Erfahrung erst in höherem Alter machen werden, quasi einen Schritt voraus. Und ganz ehrlich: So gerne ich wieder einen fitteren Körper hätte, so froh bin ich doch über diese Lebenserfahrung und das, was ich auf dem Weg gelernt habe und wie es auch meinen Blick auf andere Menschen verändert hat.

Dir alles Gute!

Viele Grüße,
odysseus
Rückenruth
Lieber Odysseus,
diesmal bin ich spät dran mit Schreiben. Ich war diese Woche sehr mit dem Heilungsprozess beschäftigt und das Programm hat mir wirklich geholfen. Der Prozess geht weiter und beschreibt ein Auf und Ab mit leichter Tendenz zu Auf. Dieses Wochenende habe ich Besuch und das tut mir immer gut, denn sonst lebe ich mit meinen beiden Katzen alleine. Deshalb ist es für mich auch öfter nicht einfach, loszulassen. habe Haus und Garten. Weil mein Besuch gleich kommt, schreibe ich jetzt nicht mehr, aber bald gerne wieder. der Austausch mit Dir ist für mich bereichernd! Bis bald, RüRu winke.gif
Rückenruth
Hallo Odysseus,
ich bin sehr beeindruckt, dass Du Dich so intensiv mit dem Gesundheits-Krankheitsprozess auseinandersetzt. Ich erlebe es auch so, dass andere Menschen sich mit dem Thema Krankheit, Einschränkung nur höchst ungern auseinandersetzen. Es ist ein gesellschaftliches Tabuthema. So erlebe ich meine Erkrankung auch als bio -(BANDSCHEIBE, Übungen)- Psycho (Krise, Aushalten, Selbstwert beeinträchtigend)- sozial (mich zurückziehend, schämend). Und doch brauche ich andere Menschen, die mitfühlen, mich respektieren, ja lieben so wie ich bin. Die Idee von der eigenen Person muss verändert werden und neue Kraftquellen gesucht werden. Klingt so einfach, aber ist alles andere als banal.
Ich habe ein Katze, die vor 2 Monaten einen Unfall hatte und Lähmungserscheinungen. Inzwischen haben diese sich zurückgebildet, aber ein Gangunsicherheit bleibt. Was macht sie? Sie passt sich an, geht nicht mehr nach Draußen, schläft noch mehr, verkriecht sich. Sie lebt kein normales Katzenleben mehr. Ist es jetzt weniger lebenswert? ich weiß es nicht.
Aktuell glaube ich, dass mein Übungsprogramm anschlägt, aber es kann auch jederzeit wieder schlechter werden, wenn ich zu viel stehe, zu wenig gehe, Angst habe, mich schäme, mich nicht mag. Ich führe Tagebuch. Ich schicke Dir liebe Grüße, RüRu

odysseus
Hallo Rückenruth,

ich mache mir generell ganz gerne Gedanken über Dinge, die mich bewegen. Und da ich eine chronische und vermutlich progressive Erkrankung habe, gehört das Thema Leben mit Erkrankung ganz natürlich zu meinem Leben dazu. Ganz allgemein finde ich, dass es gut tut, Erklärungen zu haben - wenn man keine Erklärungen hat (für Symptome, Verschlechterungen, Reaktionen von anderen Menschen) dann kann manches doch sehr verunsichernd sein. Eine Erklärung dagegen bietet meist auch Handlungsansätze, um für sich etwas zum Guten zu bewegen. Stichwort Selbstwirksamkeit - finde ich sehr wichtig.

Was Du von Deiner Katze schreibst, ist interessant. Vermutlich spürt sie selber, was ihr gut tut. Und was ist schon ein normales Katzenleben? Was ein normales Menschenleben? Letzten Endes kommt es darauf an, wie man sein Glück findet mit seiner Situation, dann ist es irrelevant, was andere sagen oder denken. Zumindest, solange man nicht auf Gutachten angewiesen ist - das ist für die psychische Gesundheit nämlich leider nicht grade konstruktiv, weil man da so ausgeliefert und abhängig ist und tatsächlich wenig Handlungsspielraum hat.

Im Alltag hat man den aber zum Glück. Ich zum Beispiel bin sehr froh über meine Therapie im Bewegungsbad, die mir sehr gut tut. Anschliessend in die Sauna, das tut auch der Psyche gut. Ich bin dankbar für Musik, die mir immer wieder gut tut und mich freut. Für Freunde, die mich mit raus in die Natur nehmen, für Abende am Lagerfeuer. Für tolles Herbstwetter und bunte Bäume. Das Leben ist schön und lebenswert, das ist viel weniger von Äußerlichkeiten abhängig, als man auf den ersten Blick denkt.

Es gibt einen Verein für Menschen mit Locked-In-Syndrom - das ist eine Form des Schlaganfalls, bei dem Betroffene sich zunächst nicht bewegen und nicht sprechen können, nur die Augen bewegen können. Die Betroffenen in diesem Verein sagen: Man kann überhaupt nicht vorab sagen, wie es einem mit so etwas gehen würden. Patientenverfügungen, die man vorab getroffen hat, sagen wenig darüber aus, ob man in der Situation nicht doch das Leben lebenswert findet. Und interessanterweise gibt eine Mehrzahl der Betroffenen bei einer Umfrage an, mit ihrem Leben zufrieden zu sein und eine gute Lebensqualität und positive soziale Kontakte zu haben. Eine körperliche Einschränkung ist in gewisser Weise auch ein Filter, und es bleiben die Menschen, die wenig auf Äußerlichkeiten geben.

Es werden dann einfach andere Dinge wichtiger. Und ich denke, für das, was einen im Kern ausmacht, worüber man sich identifiziert, wird man immer auch andere kreative Wege finden, um damit in Berührung zu sein.

Ich wünsch Dir alles Gute!

Viele Grüße,
odysseus
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