Hallo M.,
wie genau haben die Symptome bei Dir denn angefangen? Kannst Du irgendeinen Auslöser erkennen?
Es tut mir wirklich leid, dass es Dir so schlecht geht. Gibt es denn irgendeine Körperposition, in der es Dir besser geht?
Von welcher Fachrichtung wurde denn der Kaloriktest gemacht? Dabei werden ja die auftretenden Augenbewegungen, Nystagmus, beurteilt. Wenn ein damit erfahrener Neurologe eine gründliche Nystagmus-Diagnostik macht, dann kann das eigentlich gute Aufschlüsse geben, ob und welcher Bereich des zentralen Nervensystems betroffen ist. Zumindest wird das in Publikationen und Büchern beschrieben. Allerdings ist natürlich wie so oft die Frage, welcher Arzt mit solch spezifischen Untersuchungen erfahren ist. Wurdest Du mal mit Frenzel-Brille untersucht?
"Alles ist psychisch" sehe ich sehr kritisch. Die Medizin weiss noch nicht alles, und leider ist das oft die Standard-Erklärung, sobald für den Arzt unerklärliche Symptome oder bestimmte Symptomgruppen auftreten.
Es gibt inzwischen neurovegetative Diagnostik, das wird z.B. von einigen Unikliniken angeboten. Dabei kann diagnostiziert werden, ob bestimmte nicht-willentlich gesteuerte Körperfunktionen fehlreguliert werden - und zwar eben nicht psychisch, sondern aufgrund eines neurologischen Problems. Also z.B. die Regulation von Herzfrequenz und Blutdruck, das Schwitzen etc. Bei einer neurovegetativen Regulationsstörung - auch Dysautonomie genannt - kann es zu Symptomen kommen, die z.B. leicht mit einer Angststörung verwechselt werden, aber eigentlich nichts damit zu tun haben, sondern ein neurologisches Problem sind. Fehlregulationen des vegetativen Nervensystems sind u.a. auch bei Rückenmarksverletzungen bekannt.
Symptome, die ich hatte und zum Teil wiederkehrend habe, sind Koordinationsprobleme und Gefühlsstörungen der Arme und Beine (teilweise auch mit kloniformen unwillkürlichen Bewegungen), Schwindel, Benommenheit, Übelkeit, Augenkoordinationsprobleme, Hitzeunverträglichkeit, Probleme meinen Kopf zu halten, Schmerzen ausgehend vom Übergangsbereich zwischen Kopf und oberer HWS (stechend hinter das Auge ziehend, brennend am Hinterkopf), Druckgefühl im Kopf, phasenweise Atemprobleme und Herzstolperer, teilweise Fehlregulationen des Blutdrucks, Störung der Schlafregulation mit Folge einer Insomnie.
Was verstehst Du denn unter einer Blockade? Eine fixierte Fehlstellung der Wirbel? Ich denke, die Frage ist wirklich, wo von der Neuroanatomie her die entsprechenden Symptome ausgelöst werden können, unter anderem ob die Symptome periphere Nerven betreffen oder eher Strukturen des zentralen Nervensystems. Meine Symptome z.B. passen nicht zu den peripheren Nerven auf Höhe der HWS.
Meine Bindegewebsschwäche heisst Ehlers-Danlos Syndrom, hypermobiler Typ; die Diagnose wurde nach klinischen Kriterien gestellt. Ich schreibe Dir mal per privater Nachricht, bei welchen Ärzten ich war.
Du fragst, wie man Kontakt zu anderen Betroffenen bekommt. Einige Betroffene findet man über die Seite
www.instabile-halswirbelsaeule.de. Falls Du in englisch fit bist, gibt es ausserdem ein englischsprachiges Forum:
https://www.inspire.com/groups/ehlers-danlos-syndromes/.
Die Frage nach der richtigen Therapie ist leider nicht so einfach. Ich kann Dir da auch fast nur aus meiner Erfahrung berichten und aus dem, was ich von anderen Patienten gehört habe. Mir - und vielen anderen auch - tut es gut, bei Bedarf eine Halskrause zu tragen; immer trage ich eine feste Halskrause bei Fahrten. Bei vielen lassen die Symptome damit etwas nach, um so überhaupt erst wieder Zeiten zu schaffen, in denen man versuchen kann, Muskeln aufzubauen. Interessanterweise schieben sich bei mir auch ab und zu die Wirbel wieder zurecht, wenn ich in der Halskrause meine Muskeln bewusst entspanne, am besten nach einer heissen Dusche. Mir tun achssymmetrische Ganzkörper-Isometrieübungen recht gut und angepasste Therapie im Bewegungsbad. Ich habe inzwischen ein recht gutes Körpergefühl, so dass ich es auch immer wieder schaffe, duch gezielte Muskelent- und anspannungen quasi aus eigener Kraft verrutschte Wirbel wieder in Position zu bringen.
Für mich ist auch unabdingbar, dass ich auf die Warnsignale meines Körpers höre. Wenn ich merke, dass ich meinen Kopf nicht mehr halten kann, dann macht es "Zähne zusammenbeissen und durch" zuverlässig deutlich für längere Zeit schlechter, mit vermehrten Ausfallerscheinungen, Schwindel, Übelkeit. Wenn ich meinen Kopf nicht halten kann, dann bleibe ich so lange in der Position, in der ich am wenigsten Beschwerden habe (in meinem Fall Liegen in Rückenlage) bis die Symptome nachlassen. Das können - leider - auch mehrere Tage am Stück sein. Für mich steht inzwischen die Frage nach einer Versteifungs-OP C0-C2 im Raum.
"Atlaslogie" sagt mir nichts, ich habe mir eben mal die Homepage angeschaut. Um ehrlich zu sein, bin ich bei diesen ganzen Methoden inzwischen sehr kritisch. Keine dieser Methoden ist wissenschaftlich untersucht und validiert, es ist nicht erkennbar, dass nachverfolgt wird, ob und bei wie vielen Patienten es zu negativen Auswirkungen kam und zu Erfolgen. Vor allem würde ich ganz klar die Finger von jeder alternativen Heilmethode lassen, die der Meinung ist, eine Erstverschlechterung sei gut. Im Bereich der oberen Halswirbelsäule war bei mir (und bei anderen Patienten, mit denen ich in Kontakt war) jede Verschlechterung tatsächlich eine Verschlechterung. Da muss man wirklich auf seinen Körper hören. Ich bin mir sicher, dass viele der alternativen Therapeuten sehr überzeugt sind von dem, was sie machen und es gut meinen. Aber das schützt sie nicht davor, doch Schaden anzurichten, wenn sie Dinge an Patienten tun, deren Symptome selbst von der medizinischen Forschung erst so langsam verstanden und zugeordnet werden.
Mit nitrosativem Stress habe ich mich auch mal beschäftigt, ja. Inzwischen ist meine Meinung dazu, dass das auch ein Bereich ist, zu dem es noch viele offene Fragen gibt und mit dem sich auch die Forschung in verschiedenen Bereichen beschäftigt. Ketogene Ernährung wird z.B. inwischen tatsächlich bei einzelnen neurologischen Erkrankungen auch durch die DGN empfohlen, und dass B12 für die Nerven wichtig ist, ist ja auch bekannt. Ich sehe das inzwischen als eine Möglichkeit an, wie man den Körper etwas unterstützen kann, und als solches gut und wichtig. Aber ich denke, es ist weder die Ursache noch die Lösung des Problems. Es ist ein Therapiebaustein unter vielen.
Zu CMD denke ich, dass es auf jeden Fall Wechselwirkungen zwischen oberer HWS und Kiefer geben kann; obere HWS und Kiefer sind durch verschiedene Muskeln miteinander verbunden. Ich merke auch, wie sich mein Kiefer verschiebt, wenn sich meine HWS wieder zurechtrückt, bzw. meine HWS kann ich eher wieder in die richtige Position bringen, wenn ich mein Kiefergelenk dabei ganz locker lasse. Mein Eindruck ist, dass der Kieferanteil dabei zur Zeit viel mehr Aufmerksamkeit bekommt als der Anteil der oberen HWS. Einige Patienten berichten, dass Aufbissschienen Symptome verbessern oder verschlechtern. Ich selber habe diesen Ansatz nicht versucht, weil ich bei mir klar merke, dass das Epizentrum meines Problems die obere HWS ist, nicht der Kiefer.
Das alles ist jetzt natürlich nur meine ganz persönliche aktuelle Meinung als Patient (ich bin ja lernbereit, da ändere ich meine Meinung ab und zu

). Ich habe auch keinerlei medizinischen Hintergrund, es ist mir wichtig, das noch mal zu sagen.
Viele Grüße,
odysseus