odysseus
13 Aug 2017, 19:31
Hallo Christian,
ich finde, das klingt sehr gut. Du machst das sicher gut.

Wenn man weiss, dass man getan hat, was man tun kann, dann fällt es wahrscheinlich auch leichter, das Thema mal wieder beiseite zu legen und einfach mal wieder was Schönes zu machen. Irgendwie braucht es beides - Zeiten, in denen man sich aktiv ums Gesundheitsmanagement kümmert, und Zeiten, in denen man das Thema in den Hintergrund stellt und abschaltet.
Halt uns auf dem Laufenden, ja?
Liebe Grüße,
odysseus
odysseus
15 Aug 2017, 10:00
Hallo Christian,
ich habe gerade im anderen Thread Deinen Bericht von Deinen Symptomen vor der ersten OP gelesen. Das glaube ich, dass das eine einschneidende Erfahrung war und in der Situation jetzt vieles wieder hochkommt, auch von den Gefühlen von damals - ich glaube, das ist ganz normal und menschlich. Ich habe ganz großen Respekt davor, wie Du die Situation jetzt angehst: Du informierst Dich, Du bereitest Dich gut vor, und Du holst Dir psychologische Hilfe.
Ich habe vor einer Weile einen sehr interessanten Artikel gelesen, in dem es um die Aufarbeitung von traumatischen Erfahrungen ging. Der Ansatzpunkt dabei war, dass im Hirn verschiedene Areale aktiv sind: Bei den Menschen, bei denen die Angst überwiegt, ist die Amygdala aktiver, bei denjenigen, die die schlimmen Erfahrungen gut verarbeiten konnten, der Neokortex. Daraus wurde nun die Überlegung abgeleitet, dass es helfen könnte, wenn man den Neokortex aktiviert, sprich: Die Erlebnisse und die Ängste sachlich in Worte fasst, Zusammenhänge herstellt. "Ich hatte Angst, weil...". Der Psychologe verfolgt einen Ansatz, in dem man strukturiert über die eigenen Erfahrungen schreibt, sie in Worte fasst. Für mich klingt das nachvollziehbar. Ich glaube, Gefühle verstehen und zuordnen zu können, Worte dafür zu finden, kann wirklich helfen.
Noch mal: Ich finde, Du machst das klasse!
Viele Grüße,
odysseus
Huetchen
15 Aug 2017, 11:23
Hallo odysseus,
erst mal Danke für Deinen Zuspruch.
In die von Dir umschriebene Richtung scheint es auch mit der Psychologin zu gehen.
Ich war bisher 3x 1 Stunde dort und hatte sogar das Glück einen Therapieplatz zu bekommen. Sie wird mich bis zum Ende der Geschichte betreuen.
Da überhaupt hinzugehen hat mich schon einige Überwindung gekostet und ist letztendlich auch dem Umstand geschuldet, das ich selbst erkannt habe diesbezüglich Hilfe zu benötigen. Es war schwer genug sich das einzugestehen. Um einiges schwerer ist es dann sich einer fremden Person gegenüber auch zu öffnen. Es ist ja nicht so das ich Zuhause über diese Dinge nicht reden kann, dennoch fängt man an nicht alles loszuwerden was einen gerade bewegt um den Partner nicht zu überfordern. So eine Situation, und ich bin sicher das können alle hier mehr oder weniger bestätigen, ist auch ein Prüfstein für die Familie. Ich würde jedem der in ähnlicher Situation ist und noch zögert zu diesem Schritt raten. Wenn man ohne Berührungsangst und Voreingenommenheit da hin geht und die richtige Person vor sich hat hilft es. Es nimmt merklich psychischen Druck vom eigenen Kessel. Daneben hilft so ein Schritt auch wieder das Gefühl zu bekommen die eigene Situation aktiv zu begleiten anstatt sich zu verkriechen und innerlich aufzugeben. Mir wurde am Ende meines zweiten Termins eine interessante Frage gestellt. "Sie sind offensichtlich bisher immer in der Lage gewesen Probleme beruflicher und privater Natur für andere zu lösen. Warum sind sie jetzt der Auffassung sie können nicht das gleiche für sich selbst tun?" Darauf hatte ich schlichtweg keine Antwort, denn aus der Perspektive habe ich das aktuell nicht so in Betracht gezogen.
Gruß Christian
odysseus
15 Aug 2017, 12:01
Hallo Christian,
ich glaube, das Thema "Selbstwirksamkeitserwartung" ist wirklich ganz wichtig: Das Gefühl, einer Situation nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern Dinge selber in die Hand nehmen, aktiv Einfluss nehmen und selber Entscheidungen über das eigene Leben treffen zu können.
Wenn der eigene Körper nicht mehr so mitmacht, wie man das kennt, muss man glaube ich erst einmal neu für sich herausfinden, wie man mit diesen neuen Umständen trotzdem noch aktiv Einfluss nehmen kann, das Leben selber aktiv gestalten kann. Ich denke, dabei hilft, sich gut zu informieren, kreativ nach Lösungen zu suchen und bewusst Entscheidungen zu treffen.
Wir leben heute ja in einer Zeit, in der man schon fast die Illusion von endloser Fitness haben könnte - teilweise wird die Illusion verbreitet, man müsse sich nur richtig ernähren, nur richtig bewegen, nur gut genug mit Stress umgehen, um bis ins hohe Alter fit zu bleiben (was nicht wirklich zur Studienlage passt - außerdem: wäre dann "selbst schuld", auf wen das nicht zutrifft?!?). Alles, was nicht in dieses Bild passt, wird gerne verdrängt. Dabei ist es normaler Teil (so ziemlich) jedes Lebens, dass man früher oder später auf Änderungen des Körpers und des Lebens reagieren muss, das Leben anpassen muss. Wenn man eine körperliche Schwachstelle hat, macht man diese Erfahrung vielleicht etwas früher als andere und lernt, denke ich, dabei auch viel fürs Leben - vielleicht hat man es dafür später weniger schwer.
Dass Du schreibst, das Gefühl, die eigene Situation aktiv zu begleiten, sei wichtig, sehe ich auch so. Deswegen finde ich es auch super und genau richtig, wenn die Entscheidung, sich therapeutische Hilfe zu holen, aus eigenem Antrieb getroffen wird. Auch die Chemie muss stimmen - man muss sich respektiert und verstanden fühlen - und ich finde auch eine Auftragsklärung wichtig (für welche Bereiche man sich Unterstützung wünscht). Was ich nicht mag ist, wenn Patienten zu Therapie gedrängt werden - denn ich denke, gerade hinsichtlich des Gefühls, selber aktiv Entscheidungen für das eigene Leben zu treffen, ist das kontraproduktiv. Da die Entscheidungsfreiheit zu respektieren, finde ich ganz wichtig.
Und ja, es ist wirklich ein Balanceakt, soziale Kontakte nicht zu überfordern. Da kann es wirklich helfen, an anderer Stelle noch eine Möglichkeit zu haben, sich auszutauschen. Ich finde, das ist auch eine ganz wichtige Funktion von Foren.
Viele Grüße,
odysseus
Huetchen
15 Aug 2017, 12:34
Hallo Odysseus,
ich berichte natürlich nur aus meiner eigenen Perspektive und ohne jemals vorher mit einem Psychologen in Kontakt gewesen zu sein.
Auch ich glaube das ein Forum, sofern nicht nur als Zeitvertreib mitgelesen wird, ein Medium ist aus dem man selbst wichtige Informationen und Denkanstöße beziehen kann und gleichzeitig auch selbst zur Verfügung stellen bzw. mit anderen darüber diskutieren kann. Je spezifischer ein Forum ist, um so mehr trifft das meiner Meinung nach zu. Ich würde mich freuen wenn jemand ein ähnlich gelagertes Problem hat wie ich und kann anhand meines Problem, Erfahrungen während der Zeit und dem Umgang damit etwas für sich gewinnen. Wenn jemand auch nur ansatzweise davon was für sich ableiten kann, ist schon viel erreicht.
Gruß Christian
odysseus
15 Aug 2017, 14:54
Hallo Christian,
das ist ja das Schöne an Foren: Dass verschiedene Perspektiven zusammenkommen. Ich finde, man kann da echt viel voneinander lernen. Auch ich schreibe aus meiner Perspektive. Und letzten Endes geht es ja darum: Dass der passende Weg für jeden einzelnen Menschen gefunden wird. Was für einen passend ist, muss man selber beurteilen - es geht immer um den Einzelfall. Ich finde, gute Ärzte und Therapeuten machen das ja auch, dass sie den Einzelfall sehen.
Ich habe auch in keiner Weise gemeint, dass Du jemand drängen würdest - gar nicht! Ich finde Deinen Erfahrungsbericht klasse und finde es toll, dass Du anderen Mut machst und anderen helfen willst.
Weisst Du, ich sehe wirklich den Nutzen von psychotherapeutischer Unterstützung und finde, dass es auch wirklich gute und wichtige Forschung und Erkenntnisse im Bereich Psychologie gibt (zum Beispiel finde ich die Resilienzforschung wichtig). Was ich kritisch sehe ist, wenn verallgemeinert wird ("bei chronischen Schmerzen sind IMMER auch psychosoziale Aspekte an den Schmerzen beteiligt, die behandelt werden MÜSSEN") oder, ganz allgemein, wenn Symptome als psychisch bedingt abgetan werden und Patienten quasi "abgeschoben" werden und gar deswegen körperliche Ursachen übersehen werden (das liest man ja auch hier leider nicht selten). Da kann dann leicht eine Situation entstehen, die einen Patienten unter Druck setzt und in der eben gerade nicht die Stärken und Ressourcen gesehen und gestärkt werden, sondern sich der Betroffene gerade durch diese Situation hilflos fühlt. Ich finde das problematisch, weil der Blick auf den einzelnen Menschen dabei verloren geht, und traurig, weil letzten Endes die positiven Effekte, die eine gute psychotherapeutische Begleitung haben kann, dadurch für manche Patienten nicht zugänglich sind.
Ich freue mich jedenfalls sehr, dass Du für Dich einen guten Weg gefunden hast!
Viele Grüße,
odysseus
Huetchen
15 Aug 2017, 15:42
Hallo odysseus,
was meinst Du wie viel Angst ich davor hatte, abgestempelt zu werden. Das hat die Überwindung noch viel schwerer gemacht. Gott sei Dank konnte meine Hausärztin zwischen den Dingen im Kopf, die ich ja auch habe / hatte, und den tatsächlichen Problemen unterscheiden. Es war ziemlich schnell klar, das mein plötzlicher Gewichtsverlust von 10 KG und die Ängste nur den einen Auslöser haben konnten. Gleichwohl hat sie mich behutsam nach und nach zu den einzelnen Fachärzten geschickt um jegliche Zweifel ausräumen zu können. Auch die Psychologin hat ziemlich schnell erkannt was das Problem ist und was es ausgelöst hat. Im Grunde genommen bin ich noch immer ein kleines Glückskind. Wenn ich mir angucke wie zügig ich sämtliche Arzttermine bekommen habe, ist das schon erstaunlich. Man liest ja auch hier häufig das die Leute trauriger Weise manchmal Monate warten müssen. Eigentlich ein Unding bei einem Land mit so einem medizinischem Ruf und Anspruch. Das einzig negative Vorkommnis bei mir war der erste Orthopäde. Die Approbation muß es wohl bei einem Pfund Kaffee dazugegeben haben.
Gruß Christian
odysseus
15 Aug 2017, 16:17
Hallo Christian,
haha, da musste ich schmunzeln.

Humor wird übrigens, meine ich, auch als wichtiger Resilienzfaktor erwähnt.

Ja, ich finde eine gute Differenzierung extrem wichtig. Ich würde mir Forschung wünschen, die versucht, genau zu differenzieren, für welche Patienten in welcher Situation welche Form von Psychotherapie hilfreich sein kann und (und genau das wird meiner Ansicht nach bisher komplett vergessen) was eher schädlich ist. Ich finde, Verallgemeinerungen werden weder dem einzelnen Menschen noch dem Stand des tatsächlichen Wissens gerecht und führen eben auch zu viel Unsicherheit und Vorbehalten - kein Mensch will in eine Schublade gesteckt werden, sondern man will als Individuum gesehen werden.
Dass es Situationen gibt, in denen körperliche Diagnostik und Therapie einerseits und Psychotherapie andererseits gegeneinander abgewogen werden und Patienten an die Psychotherapie oder Psychosomatik abgeschoben werden, finde ich auch ethisch wirklich problematisch - das sollte nie stattdessen, sondern wenn, dann zusätzlich möglich sein. Und wie schön wäre es, wenn es ein Gütesiegel für Psychotherapeuten gäbe, das aussagt: "Ich nehme Sie ernst, spreche Ihnen nicht Ihre Selbstwahrnehmung ab, sehe Ihre Stärken und stehe dafür ein, dass Sie trotzdem körperliche Diagnostik und Therapie bekommen, wenn Sie körperliche Beschwerden haben".
Ich fand dazu einen Artikel aus dem Bereich Psychotherapie bei Querschnittlähmung sehr interessant, der sich dafür ausspricht, dass genau unterschieden werden muss, welche Therapieform für welchen Patienten geeignet ist, und es eben auch Therapieformen gibt, die weniger geeignet sind:
Artikel zu Psychologie bei QuerschnittlähmungIch bin gespannt, was Du weiter berichtest (wenn Du magst).
Liebe Grüße,
odysseus
Huetchen
15 Aug 2017, 16:36
Hallo odysseus,
Zitat
Ich bin gespannt, was Du weiter berichtest (wenn Du magst).
Ich bin froh, trotz anfänglich fehlender Resonanz, hier geblieben zu sein und fühle mich auch ganz wohl hier .
Jetzt habt Ihr mich also an der Backe.

Das nächste zu berichtende Highlight von mir wird das CT der HWS sein. Ich habe mir vorgenommen direkt danach auch zu entscheiden ob ich mir noch eine Zweitmeinung einhole. Ich bin diesbezüglich noch immer etwas hin und her gerissen. Man kennt das ja aus anderen Bereichen, drei Leute vier Meinungen. Aber auch die Abwägung bekomme ich hin.
Gruß Christian
odysseus
15 Aug 2017, 17:02
Hallo Christian,
ich drücke Dir die Daumen fürs CT und bin gespannt, was Du berichtest. Hast Du schon einen Termin?
Ich bin auch sicher, dass Du das gut hinbekommst.

Viele Grüße,
odysseus