Flanders
21 Dez 2016, 10:34
Hallo Haribo,
ich weiss nicht, ob Du mich noch kennst. Wir hatten im Forum für Muskelerkrankungen miteinander Kontakt.
Ich hatte (habe) ähnlich wie Du BSV und Vorwölbungen in der HWS auf mehreren Ebenen, Atrophien im linken Arm, Schmerzen linker Arm und Schulter, Faszikulationen generalisert, PSA im EMG in oberen und unteren Extremitäten, linkes Bein etwas schwächer als das rechte, aber keine Kompression des Rückenmarks. Auch ich wurde ja von Neurologen mit extremen Verdachtsdiagnosen konfrontiert. Ebenfalls daher damals reaktive Depression bekommen.
MS, ALS, Tumor, Schlaganfall, SMA Typ4, Hirayama-Krankheit, Kennedy-Syndrom usw. ausgeschlossen. Gott sei dank sind weiterhin "lediglich" deutliche Atrophien im linken Arm und Schulter vorhanden und etwas im linken Bein.
Ich stehe 18 Monate nach Beginn der Symptome auch noch ohne Diagnose da.
ABER:
Ich bin an einen guten Reha-Arzt geraten, der sich sehr intensiv mit mir auseinandergesetzt hat. Seiner Meinung nach, kann ein solche dramatischer Befund (Einengung auf mehreren Ebenen HWS, angeborene Streckhaltung HWS) wie bei mir, sehr wohl meine (bzw. auch Deine) Symptome erklären. Seiner Meinung nach besteht in der Tat die Möglichkeit, dass durch vorangegangene minimale Kompressionen des RM Schäden entstanden sein können, die von der Auflösung her, NICHT auf einem MRT-Bild sichtbar zu machen sind. Vorfälle oder Prolapse können sich, seiner Aussage nach, mit der Zeit ständig anders darstellen. So, dass auf einer Aufnahme von "heute" keine Kompression darstellt, diese Kompression aber einige Zeit bestanden hat. Möglicherweise auch ohne "die ganz große Katastrophen" (bleibende Lähmungen, Kontrollverlust über Stuhlgang etc.) ausgelöst zu haben. Aber halt dennoch "kleinere aber deutliche" Auswirkungen (minimale PSA in den Beinen, Faszis, Kribbeln in den Füßen o. ä.) haben können.
Seiner Meinung nach, sei es sogar unter Umständen möglich, dass Dermatome oberhalb der Kompression Probleme machen. Dies sei durch chronische Verkrampfungen, Schonhaltungen usw. verusacht.
Er hat mir empfohlen, keinen direkten Muskelaufbau mehr zu betreiben, da ich seiner Meinugn nach, schon genügend Muskulatur habe. Sondern mich auf Optimierung der Körperhaltung und vor allem Flexibilität, Beweglichkeit, Muskelentspannung und Mobilisation zu konzentrieren. Vor allem mit Letzterem habe ich seit Anfang 2016 täglich gearbeitet. Aktuell geht es mir sehr gut. Kaum Schmerzen, kaum noch kribbelnde Arme oder Beine. Kein Seitenunterschied mehr erkennbar an den Schultern. Leider am Arm unverändert bin aber guten Mutes, dass sich hier bald auch noch was tut.
Vielleicht wäre es auch was für Dich, intensiv in diesen Bereichen zu arbeiten.
Ich freue mich erstmal für Dich, dass die neurologischen Dinge, die im Raum standen, anscheinend nicht zutrafen.
Viele Grüße
Flanders
Haribo
22 Dez 2016, 16:20
Hey Flanders,
na klar! Wir haben doch vor ziemlich genau einem Jahr telefoniert.
Schön das du schreibst!
Ich freue mich sehr nun von dir zu lesen, dass es dir besser geht!
Kurze Nachfrage zu deiner Situation:
1. Ist eine exakte Diagnose nun in Sicht oder interessiert dich das nicht mehr, solang du auf dem Weg der Besserung bist?
2. Wie bist du an deinen Reha-Arzt geraten? Bist du von dir aus hin oder brauchtest du einen speziellen Überweisung/Auftrag?
3. Kannst du ihn bitte fragen ob er einen fähigen Kollegen in meinem PLZ-Gebiet empfehlen kann? Alternativ ob er eine Telefonsprechstunde mit mir macht?
Ich drücke dir beide Daumen auf deinem Weg der Genesung und halte mich bitte auf dem Laufenden!
LG
Haribo
31 Dez 2016, 11:17
Update
Liebe Forenfreunde,
4 Wochen sind seit der erneuten Verletzung vergangen.
Trotz Physiotherapie und Iboprofen verschlechtert sich die Situation weiter.
Konkret:
Die rechte Hand wird weiter schwächer. (Kraft schwindet, kleinste Bewegungen und Alltagsaktionen wie, Besteck halten, auf Tastatur tippen, Lebensmittel-Verpackung öffnen, Smartphone halten, etc. verursachen Krämpfe und vollständige Muskelermüdung.
Die gesamte rechte Körperhälfte zeigt keinerlei Besserungssignale.
Fragen
In welches Unterforum/Rubrik gehören die folgenden Fragen? (Mod kann gern verchieben oder ich tue es nachträglich.)
1. Instabilität Schlaf
Wie kann ich meine Schlafsituation verbessern?
(Perfektes HWS-Kissen besitze ich, schlafe nicht auf dem Bauch, Seitenlage meide ich weil unmittelbar Muskelzucken oder Taubheit auftritt bzw. lokale Schmerze in HWS oder Kopf)
Die Verschlechterungen kommen trotzdem über Nacht.
Bin morgens verspannt und habe Schmerzen.
Arm und Hand waren morgens plötzlich schwächer wenn verschlechtert.
2. Lesen
Wie könnt ihr HWS-freundlich lesen? Gibts da Tricks zur Haltung?
Bin beruflich und privat 100% darauf angewiesen.
Egal ob Buch, Papier oder Bildschirm, Lesen bekommt mir im Moment garnicht.
3. Ohne Moos nix los
So kann es nicht weitergehen!
Besitze weder Diagnose, Krankschreibung, Attest, etc.
Ein Physio-Rezept ist alles. (und die wissen nicht wirklich, was sie noch tun sollen bzw. hilft das nix)
Bin Freiberufler, d. h. für mein Einkommen muss ich tagtäglich arbeiten, auch in der aktuellen Situation. Und auch sonst als Privatmann sind ja ganz alltägliche Dinge weiter zu bewältigen: Heben, Tragen, PKW
Alles Gift für die HWS im Moment
1. Wie ist die richtige Vorgehensweise? Wie kann ich was verbessern?
2. Was steht Patienten wie uns rechtlich zu?
3. Zu welchem Arzt und was verlangen?
Bin offen für alle eure Hinweise, Vorschläge und Ideen!
Danke im Vorab.
Ich wünschen euch allen einen schönen Jahreswechsel und einen guten Start in ein glückliches, erfolgreiches und gesundes Jahr 2017!
LG
odysseus
01 Jan 2017, 18:44
Hallo Haribo,
das tut mir leid und ich kann das auch sehr gut nachvollziehen.
Ich schreibe Dir mal, wie ich das mache und was ich von anderen gehört habe. Ich finde es gut, Anregungen zu bekommen. Letzten Endes ist es aber doch recht unterschiedlich, was wem gut tut.
1. Instabilität Schlaf
Ich schlafe nur in Rückenlage. Ein Kopfkissen vertrage ich gar nicht mehr. Ich habe eine extra breite und lange Daunendecke, die ich links und rechts vom Kopf weit nach oben ziehe, so dass sie meinen Kopf davor schützt, im Schlaf zur Seite zu kippen. Ich weiss, dass es manchen hilft, mit Halskrause zu schlafen, aber das vertrage ich gar nicht. Versuchsweise habe ich einmal ein Strumpfhosenbein mit zwei Tennisbällen befüllt und mit etwas Abstand verknotet, und dann so unter meinen Kopf gelegt, dass die Bälle meinen Kopf links und rechts im Schlaf stützen. Mir waren die Bälle aber zu hart; für mich funktioniert das mit der Decke besser. Alternativ habe ich mal die Augen offen gehalten, was es für Lagerungshilfen im OP-Bedarf gibt - da könnten sich auch Hilfsmittel finden lassen, die den Kopf im Schlaf stabilisieren.
2. Lesen:
Ich sitze mit Kopflehne und aufgestützten Armen. Ich vertrage nur eine Kopfposition, bei der ich leicht nach unten schaue, und auf gar keinen Fall zur Seite. Das heisst, ich arbeite mit Laptop, den ich auf dem Schoss habe. "Arbeite" in Anführungszeichen - das geht auch nur an guten Tagen und für begrenzte Zeit. Arbeitsfähig bin ich so leider nicht. Wenn Symptome einsetzen/zunehmen, trage ich eine Halskrause. Übelkeit oder Augenkoordinationsstörungen sind bei mir "red flags", dass ich mich hinlegen muss, weil sonst Ausfallerscheinungen zunehmen. Lesen geht teilweise auch noch beim Liegen in Rückenlage. Da hatte ich mir überlegt, vielleicht mal eine Art Halter zu bauen für Buch/Tablet o.ä., so dass ich das Gerät nicht halten muss (z.B. aus Plexiglas).
3. Ohne Moos nix los:
Krank und arbeitsunfähig ohne Diagnose ist schlimm, weil man ganz schnell von allen Seiten unter Druck kommt. Da macht es dann auch keinen großen Unterschied, ob man selbständig ist oder angestellt - denn ohne Diagnose kommt irgendwann der Punkt, dass die krankschreibenden Ärzte von der Krankenkasse unter Druck gesetzt werden oder die Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeit anzweifelt und man ein nettes Schreiben bekommt, ab sofort gäbe es kein Krankengeld mehr, es sei laut Aktenlage festgestellt worden, dass man arbeitsfähig sei. Alles schon passiert.
Eine Diagnose ist wichtig, und Ärzte, die einen lange und gut genug kennen, um den Menschen hinter den Symptomen zu sehen und die Fäden zusammenzuführen, sind es ebenso. Diese Ärzte sind die Unterstützungsbasis vor Ort, die den Verlauf kennen und die einschätzen können, wie man mit der Erkrankung umgeht - ob man konstruktiv auf Lösungssuche ist (das bist Du, das merkt man) und die einen in Schutz nehmen können, wenn andere Ärzte behaupten, man würde übertreiben oder sich in etwas hineinsteigern.
Hast Du Ärzte vor Ort, die Dich besser kennen? Hausarzt, Orthopäde, Neurologe?
Aber auch diese Ärzte brauchen Rückendeckung, denn auch sie kommen ohne Diagnose unter Druck und an ihre Grenzen. Es ist wichtig, ein gutes Vertrauensverhältnis zu ihnen zu haben, so dass man mit den Ärzten bespricht, was man selber tun kann und welche Zuarbeit ihnen helfen würde. Es ist wichtig, dass man den Rahmen klärt, in dem der Arzt Zeit und diagnostische und therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung hat, und es ist wichtig, dass man die Rolle klärt, die der Arzt im Ärzteteam ausfüllen kann.
Der nächste Schritt war bei mir, nach Experten zu suchen, um Verdachtsdiagnosen abzuklären. Dafür ging es für mich quer durch Deutschland und zum Teil auch ins Ausland. Wenn man eine seltene Erkrankung hat, muss man den Radius weiter stecken.
Ebenfalls wichtig ist es, Ärzte zu finden, die gute Befunde schreiben und Deine Situation unverfälscht wiedergeben. Das müssen nicht notwendigerweise Ärzte sein, die auch Therapien anbieten können.
Folgende "Rollen" sind zu besetzen:
- Ein Hausarzt, der Dich gut kennt, mit dem Du Fremdbefunde besprichst, bei dem die Fäden zusammenlaufen und der Dich krankschreiben kann. Am besten mit regelmäßigen Terminen und der Möglichkeit der kurzfristigen Rücksprache / Vorstellung.
- Ein auf die Wirbelsäule spezialisierter Orthopäde oder Neurochirurg UND ein Neurologe, die bereit sind, Dir regelmäßige Termine anzubieten, den Verlauf zu kontrollieren und zu dokumentieren, Dich bei Therapieversuchen zu unterstützen und mit Dir zu überlegen, an welche spezialisierten Stellen Du Dich wenden kannst. Bei ihnen laufen die Fäden für ihr Fachgebiet zusammen.
- Ein Arzt, der gute Befunde schreibt, Erfahrung mit Patienten mit chronischen Erkrankungen hat und Dir im halbjährlichen oder jährlichen Abstand Termine anbieten kann.
- Ein Arzt, der im stationären Bereich arbeitet, Deinen Fall kennt und bereit ist, Dich bei Verschlechterungen bzw. Notfall-/Akutsituationen kurzfristig zur stationären Diagnostik aufzunehmen.
- Ein Therapeut, der nicht frustriert ist, wenn sein gelerntes Wissen nicht anschlägt, sondern der einen langen Atem hat und vor allem bereit ist, auf Deine Rückmeldungen zu hören. Wenn Du die Rückmeldung gibst, dass etwas nicht gut tut, dann muss der Therapeut bereit sein, etwas anderes zu versuchen.
- Spezialisten, auch im weiteren Umkreis, bei denen Du Dich zur Abklärung und für eine Zweitmeinung vorstellen kannst. Wenn sie sich zuständig fühlen, kannst Du fragen, ob Du sie auch um Hilfe bitten darfst, falls Du für Ämter eine Stellungnahme brauchst. Und Du kannst fragen, ob Deine Ärzte vor Ort sie kontaktieren dürfen.
Ganz grundsätzlich ist es immer sinnvoll, bei Arztterminen zu fragen, wie es weitergeht. Wann kannst Du Dich zur Kontrolle wiedervorstellen? Ist der Arzt bereit, Deinen Fall weiter zu begleiten? Falls er sich nicht zuständig sieht, welche Kollegen oder weiteren Schritte kann er empfehlen?
Wichtig ist eine gute Dokumentation. Hast Du einen Patientenordner, in dem alle Deine Arztbriefe gesammelt sind, nach Fachrichtungen und zeitlich bzw. nach Relevanz geordnet? Hast Du alle Deine radiologischen Daten in digitaler Form? Hast Du eine prägnante schriftliche Zusammenfassung Deiner Symptome und des zeitlichen Verlaufs? All das ist sinnvoll. Sinnvoll kann es auch sein, Befunde, die relevante Fehler enthalten, auszusortieren, damit es nicht zu einem "Stille Post"-Spiel kommt. Ebenfalls sinnvoll kann es sein, selber zu koordinieren, welche Befunde wohin weitergegeben werden (auch an Ämter), damit es übersichtlich bleibt. Außerdem ist es sinnvoll, Arzttermine gut vorzubereiten und sich z.B. für jeden Termin drei Fragen zu überlegen, die man vorrangig beim Termin klären und besprechen will.
Mit Deinen Symptomen würde ich an Deiner Stelle recherchieren, ob einer der Ärzte in Deinem Umkreis in der Fachgesellschaft für Neurophysiologie (DGKN) aktiv ist, im Bereich zentrales Nervensystem. Wenn in der Radiologie nichts klar zu erkennen ist, dann brauchst Du einen Arzt, der genau differenzieren kann, welche Messung wie aussagekräftig ist und welche Fragen offen bleiben. Du könntest auch versuchen, anzufragen, ob ein Arzt im Bereich Paraplegiologie bereit ist, einen Blick auf Deinen Fall zu werfen. Und Du könntest versuchen, eine große Muskeltestung durch einen Physiotherapeuten zu bekommen, der mit Rückenmarksverletzungen erfahren ist (also z.B. auch da, wo es Zentren für Paraplegiologie gibt). So etwas dauert ca. eine Stunde und wird sehr gründlich durchgeführt.
Du fragst, was Patienten wie uns rechtlich zusteht. Das ist eine recht vielschichtige Frage - was genau meinst Du? Ich kann sicherlich nur einen Teil beantworten. Letzten Endes hängt aber so ziemlich alles, was einem zusteht, von ärztlichen Gutachten (oft nach Aktenlage) ab. Das heisst, Arztbriefe und Ärzte, die Dich kennen, sind elementar wichtig.
Zum einen kannst Du beim Versorgungsamt die Feststellung eines Grades der Behinderung beantragen. Dies richtet sich nach Deinen tatsächlichen Einschränkungen, meines Wissens kommt es dabei weniger auf die Diagnose an. Füge den Befunden der Ärzte am besten eine eigene Zusammenfassung bei. Was kannst Du, wobei bist Du (seit mind. 6 Monaten) eingeschränkt?
Je nach Höhe des GdB und Merkzeichen kannst Du steuerliche Erleichterungen bekommen, vergünstigte Beförderung/Kraftfahrzeughilfe etc. Ist eine Schwerbehinderung anerkannt, gibt es außerdem über das Integrationsamt Fördermöglichkeiten nach Prüfung, auch bei Selbständigkeit (z.B. Darlehen/Zinszuschüsse).
Über das Integrationsamt oder die Rentenversicherung kannst Du Hilfsmittel beantragen, die Dir Deine Arbeit erleichtern.
Bist Du bei der Rentenversicherung freiwillig versichert? Dann gibt es natürlich auch die Möglichkeit, mittels Reha, Arbeitserprobung etc. zu dokumentieren, was geht und was nicht, und während der Dauer der Massnahme Übergangsgeld zu beantragen. Wobei man auch gut wählen muss, wohin man sich wendet, und darauf achten muss, dass der Abschlussbericht realistisch ist (denn er hat den Wert eines Gutachtens). Ich meine, falls die Rentenversicherung die Massnahme nicht zahlt, kann man auch bei der Arbeitsagentur einen Antrag stellen, da bin ich mir aber nicht sicher.
Wenn Du keinen Anspruch auf Krankengeld hast bzw. dieser abgelaufen ist, kannst Du ggf. recherchieren, ob Du als Selbständiger Anspruch auf Unterstützung nach der Nahtlosigkeitsregel hast. Das läuft über die Arbeitsagentur.
Jetzt habe ich viel geschrieben. Ich hoffe, das hilft Dir etwas weiter? Ich weiss, das ist wirklich keine einfache Situation.
Ich wünsche Dir auf jeden Fall alles, alles Gute für das Neue Jahr und vor allem, dass sich ein guter Weg findet, wie sich Deine gesundheitliche Situation stabilisieren und verbessern lässt!
Viele Grüße,
odysseus