hallo norbert,
willkommen im club!
was ist denn passiert? der 04. februar ist ja nicht soo lang her. wieso wurde dir "so plötzlich" zu einer operation geraten?
herzliche grüsse
lilly
Dr.med. Wolfgang Oertel
08 Feb 2003, 14:09
Lieber Norbert,
eigene Erfahrung mit der kaudalen Kathetertechnik nach Rascz habe ich in der Schmerztherapie nicht; allein die Technik ist inzwischen mehr als zehn Jahre bekannt, und ich habe die Entwicklung mit großem Interesse, allerdings nicht besonders euphorisch verfolgt.
Die Einlage eines Katheters über den Sacralkanal ist eine mögliche Variante, um verschiedene Medikamente - die längst nicht alle für eine Injektion in den Rückenmarkskanal zugelassen sind - möglichst dicht an die betroffenen Bandscheibenbereiche heranzubringen; allerdings lässt sich das auch ohne Katheter mit periduralen = epiduralen Einzelinjektionen erreichen.
Beim caudalen Zugangsweg, der für Einzelinjektionen schon seit Jahrzehnten auch in der Anästhesie verwendet wird, liegt die Einstichstelle am Übergang vom Steiß- zum Kreuzbein in der Mittellinie; die von dort vermittelte Anästhesie oder Analgesie entspricht einer Peri- = Epiduralanästhesie.
Es scheint aber, dass dieser Zugangsweg in Verbindung mit einem Katheter, der dann zum betroffenen Segment in der Lendenwirbelsäule vorgeschoben wird, keine wirklichen Vorteile gegenüber der direkten periduralen Methode mit mehreren Einzelinjektionen bringt.
Hierzu eine Literaturstelle aus "Der Schmerz" von 4/2000:
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"Das Präsidium hat den Sprecher der Qualitätssicherungskommission und zwei weitere DGSS-Mitglieder um eine kurze Stellungnahme zur jüngst vermehrt propagierten epiduralen Injektion von hypertonem Kochsalz bei Rückenschmerzen gebeten. Die 3 Experten äußerten sich wie folgt:
Kommentar zum Verfahren der Applikation von Kortikosteroiden, Hyaluronidase und hypertoner NaCl über einen Katheter kaudal, lumbal und zervikal
Seit einigen Jahren wird in Deutschland - in der Regel von Orthopäden - eine epidurale Injektionsbehandlung über einen implantierten Peridural- oder Kaudalkatheter unter der Bezeichnung "Neuroplastie" bei Patienten mit wirbelsäulenbedingten Schmerzen durchgeführt. Die Therapie geht auf ein von G. Racz vor etwa 10 Jahren entwickeltes Verfahren zurück, bei dem zunächst der Epiduralraum mit Kontrastmittel dargestellt und anschließend nach Implantation des Katheters 1500 E Hyaluronidase in 0,9% NaCl, 40-80 mg Triamcinolon in Bupivacain und schließlich 10% NaCl (10 ml kaudal, 8 ml lumbal und 6 ml zervikal) injiziert wird. Die Gesamtmenge der epidural injizierten Flüssigkeit beträgt ca. 50 ml im kaudalen und lumbalen Bereich. An zwei aufeinander folgenden Tagen werden zweimal täglich je 10 ml Lokalanästhetikum und 10% NaCl nachinjiziert.
Racz gibt als Indikationen radikuläre Rücken-/Bein-Schmerzen an, die trotz adäquater konservativer Behandlung therapieresistent geblieben sind. Der Wert des Verfahrens bei anhaltenden radikulären Schmerzen nach Bandscheibenoperationen (Lösung von Verwachsungen) wird betont (Lewandowsky 1997).
In Deutschland werden von Orthopäden folgende Indikationen angegeben:
· akuter Bandscheiben-Vorfall der Hals- und Lendenwirbelsäule
· Bandscheiben-Vorwölbung
· Bandscheiben-Verschleiß
· Wirbelgleiten
· Postnukleotomie Syndrom
Die Kathetertherapie nach Racz eignet sich nach Angaben der "Gesellschaft für prophylaktische Orthopädie" für nahezu alle Bandscheibenpatienten, die über Schmerzen - sowohl an der Lendenwirbelsäule, an der Brustwirbelsäule als auch an der Halswirbelsäule - klagen. Da mit spätestens 40 Jahren alle Menschen Degenerationen der Bandscheiben aufweisen, ist das Verfahren offensichtlich für alle Patienten geeignet, die relevante Rückenbeschwerden haben. In der Schmerzambulanz Göttingen wurde im Rahmen einer Pilotuntersuchung bisher 30 kaudale Katheter in der Technik nach Racz implantiert. Als Indikation galt wie bei Racz ausschließlich der radikuläre chronifizierte Schmerz, der mit anderen Methoden (insbesondere Physiotherapie, Analgetika und epidurale Injektionen mit Kortikosteroiden als einzeitige oder wiederholt einzeitige Injektion) nicht befriedigend besser wurde. Im vorläufigen Ergebnis mit einer Follow up-Zeit von 3 Monaten war dieses Verfahren nicht besser als single shot Injektionen mit Triamcinolon Acetonid.
Unlängst wurde von den Autoren um Racz (Haevner et al. 1999) eine randomisierte, kontrollierte, prospektive Studie publiziert, bei der in allen Fällen (4 Therapiearme) neben dem Kontrastmittel und Lokalanästhetikum ein Kortikosteroid epidural gegeben wurde. Eine Gruppe © bekam daneben nur isotone (0,9%) NaCl, Gruppe A Hyaluronidase und hypertone (10%) NaCl, Gruppe B nur hypertone (10%) NaCl, Gruppe D Hyaluronidase und isotone (0,9%) NaCl. Die Patientenzahlen waren gering (10-17 Patienten pro Gruppe). Untersucht wurden Schmerzen (VAS max), die Kurzform des McGill Pain Questionaires (SFM Score) und benötigte zusätzliche Behandlungen. Im Ergebnis unterschieden sich Schmerzstärke und SFM Wert (sofort nach der Behandlung, 1, 2, 3, 6 und 12 Monate nach der Therapie) in allen Gruppen nicht. Der Anteil von Patienten mit zusätzlich notwendiger Behandlung war in den beiden Gruppen mit 10% hypertoner NaCl am kleinsten (55% versus 80%). Die Werte waren aber statistisch nicht signifikant. Interessanterweise betrug der zeitliche Abstand bis zur ersten zusätzlichen Therapie in allen Gruppen gleich ca. 75 Tage (vermutlich aufgrund des entsprechenden Wirkungszeitraums des Kortikosteroids).
Aufgrund der vorliegenden unkontrollierten Studien, der derzeitig einzigen kontrollierten Untersuchung und der möglichen Komplikationen durch die epidural eingebrachten Medikamente, die zudem für eine epidurale Applikation nicht zugelassen sind, kann die DGSS derzeitig diese Behandlungsmethode nicht empfehlen.
Lewandowski E M (1997) The efficacy of solutions used in caudal neuroplasty. Pain Digest 7:323-330
Heavner J E, Racz GB, Raj P (1999) Percutaneous epidural neuroplasty: prospective evaluation of 0,9% NaCl versus 10% NaCl with or without hyaluronidase. Reg Anesth Pain Med 24:202-207
H.R. Casser (Staffelstein), J. Hildebrandt (Göttigen), B.W. Nagel (Mainz)"
----------------------Ende
Für den caudalen Zugangsweg, auch bei der Kathetertechnik gelten die gleichen Vorsichtsmaßregeln und Kontraindikation, wie bei jeder anderen periduralen Injektion.
Es ist leider nicht in allen Fällen möglich, über diesen Weg einen sicheren Zugang zum Periduralraum zu bekommen; das liegt vor allem an dem Variantenreichtum dieser anatomischen Struktur; ausserdem ist dieser Bereich mit venösen Gefäßsystemen reichlich ausgestattet, so dass vor jeder Punktion auch in diesem Bereich eine grundlegende Gerinnungsdiagnostik nötig ist (zumindest Quick, PTT und Thrombozyten) und die nötige Karenz zu etwaigen, die Blutgerinnung verändernden Medikamenten.
Schließlich muss bei jeder neuerlichen Nutzung des liegenden Katheters darauf geachtet werden, dass dieser inzwischen nicht in den eigentlichen Spinalraum perforiert ist.
Es ist sicherlich angebracht, gerade bei grenzwertigen Bandscheibenbefunden, alle konservativen und minimal invasiven Therapieoptionen konsequent auszuschöpfen; ich persönlich vermag aber bei der Katheter-Vorgehensweise über den kaudalen Zugangsweg aus der anästhesiologischen Erfahrung keine eindeutigen Vorteile gegen über der Direktpunktion im Niveau der betroffenen Bandscheibe zu erkennen.
Allein die Umgehung mehrfacher Punktionen wegen etwaiger Spritzenangst wiegt die potentiellen Risiken einer Kathetertechnik m.E. nicht auf.
Mit freundlichen Grüßen - Ihr Wolfgang Oertel
Anette
08 Feb 2003, 15:52
Ich kämpfte seit April 2002 mit meinem BSV L4/5 S1. Nachdem es trotz Schmerzmitteln und Physiotherapie immer schlechter wurde hat mich mein Orthopäde in die Klinik überwiesen zur stationären Therapie(09/2002). 3 Tage bekam ich Infusionen, die aber keine Erfolge brachten. Anschließend wurde mir auch dieser Katheder gelegt. Leider brachte mir das überhaupt nichts, im Gegenteil der Zustand verschlimmerte sich immer weiter. Am 30.09.2002 wurde ich dann auf Anraten der Ärzte dann doch operiert. Aber Kopf hoch, in der Klinik gab es auch Patienten, denen es durch den Katheder besser ging und die ohne OP wieder nach Hause konnten.
Also alles Gute
Viele Grüße Anette
Christian
09 Feb 2003, 16:14
Hallo Norbert,
ich habe den von Dr. Oertel beschriebenen Peri-Katheter bekommen (Einzelheiten auf der Homepage unter "Miglieder stellen sich vor").
Grundsätzlich gilt: Diese Katheterbehandlungen dienen nur der Schmerzreduktion, sie beheben nicht die Bandscheibenvorfälle (gleiches gilt auch für die PRTs).
Zum Perikatheter, wie ich ihn bekommen habe, kann ich nur zuraten. Für mich war es einer der Wendepunkte, den Kreislauf Schmerzen->Verspannungen -> neue Schmerzen zu durchbrechen, was die PRTs nicht geschafft hatten.
Den Racz-Katheter halte ich persönlich aber für zu riskant, was das Heraufschieben vom Steißbein bis zur betroffenen BS angeht (und was ist, wenn mehrere BS betroffen sind?).
Hallo Norbert,
das freut mich sehr, daß der Eingriff bei Dir so positiv verlaufen ist und auch, daß die Wirkung bei Dir so schnell eingesetzt hat. Bei meinem Mann hat es fast 3 Wochen gedauert bis eine Linderung eingetreten ist, schmerzfrei wurde aber nie. Die Wirkung hielt ca. ein halbes Jahr an, dann wurden die Schmerzen wieder schlimmer.
Den Eingriff selbst hat auch er als schmerzfrei beschrieben. Leider habe ich schon das krasse Gegenteil gehört, auch beim Nachspritzen. Es kommt wohl wirklich darauf an, welcher Arzt das macht.
Also immer her mit der Adresse. Rolf wurde von Dr. Rütten im Annahospital in Herne behandelt.
Liebe Grüsse und weiterhin toi, toi, toi,
Gabi
Hallo Norbert,
es ist schön zu lesen, und ich freue mich für Dich, daß es Dir nun gut geht und die Methode bei Dir geholfen hat.
Nun heisst es aber am Ball bleiben und mit Präventionen zu beginnen, da der Katheter leider nur eine von vielen Schmerztherapien ist und sich irgendwann wieder die Schmerzen einstellen würden, sofern Du nicht dagegensteuerst und was für Dein Kreuz, sprich Muskelaufbau durchführst. Willkommen im Club der Bandis!
Ralf