Für mich
begann alles am 14. März 2003. Ich war schon einige Tage von der
Arbeit ferngeblieben, weil es in meinem Lendenwirbelbereich doch gar
zu sehr zwackte und ich damals glaubte, ein ABC-Pflaster – sensitive-
würde mir schon helfen, so wie es immer half, wenn mich diese Hexe
heimgesucht hatte.
Vor
vielen Jahren war ich einmal bei einem Orthopäden, da eines meiner
Beine bis zur Leiste „ausgefallen“ war. Damals sagte mir dieser Arzt,
ich hätte eine Lendenwirbelvorwölbung und wir bekämen das schon wieder
hin. Ich hatte keine Ahnung, was ich genau hatte und war viel zu sehr
mit meinem Leben und meinen Liebschaften beschäftigt, als dass ich mir
Gedanken machte. Der kriegt das schon hin, dachte ich. Dann vergingen
Jahre und ich hatte absolut keine Beschwerden. Die Zeit verging, aber
die Vorwölbung schien geblieben zu sein. Hätte ich damals schon gewußt,
dass ich mit gezielten Übungen gegebenenfalls etwas hätte
prophylaktisch tun können, hätte ich es vielleicht gemacht. Aber
damals war ich zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt.
Am 10.
März 2003 war mein letzter Arbeitstag. Es war dumm, denn gerade an
diesem Tag sollte meine „Verstärkung“ kommen, eine zweite Sekretärin,
die ich außerdem mit ausgesucht hatte. Es war mir so peinlich, aber
meine Schmerzen wurden immer stärker. So sandte ich unseren Boten zu
einem Blumenladen, überreichte meiner neuen Kollegin den Strauß fuhr
nach Hause. Die nächsten Tage verbrachte ich vorwiegend mit
Paracetamol, da ich eine Aspirin-Allergie habe. In der Nacht vom 13.
auf den 14. März 2003 habe ich mich in unser kleines hiesiges
Krankenhaus eingeliefert. Der Taxifahrer hat sicherlich noch selten
jemanden so schreien hören. In dem Krankenhaus meinten die Ärzte zwar,
ich sei ein Fall für die Orthopädie, aber diese würde nachts nicht
aufnehmen. Später erfuhr ich, dass das nicht stimmte. So wurde ich
vollgepumpt mit Schmerzmitteln und bin mit dem Tropf die halbe
restliche Nacht über den Flur des Krankenhauses gegangen. Am Morgen
des 14. März 2003 habe ich mich selbst entlassen und bin nach Hause
gefahren. Nur noch in mein eigenes Bett, dachte ich. Dort wurde ich
gegen 11.00 Uhr wach und verspürte keinerlei Schmerz mehr in meinem
linken Bein. Aber nicht genug! Mein linker Fuß existierte nicht mehr.
Er war weg! Er war gelähmt. Ich dachte nur eines: Schnell Handeln! Ich
bin mit dem lahmen Fuß irgendwie Auto gefahren und habe meinen
behandelnden Orthopäden aufgesucht, der mich umgehend telefonisch in
die Orthopädie einwies. Als ich bei ihm ankam und ausstieg und direkt
im Sand landete, dachte ich, dass ich jetzt wohl für immer und ewig
ein Krüppel sein würde. Aber meine Trauer verging, denn ich hatte kaum
Zeit, mich zu fangen. In der Orthopädie angekommen, meinte der
Professor, dass es eventuell eine Not-OP geben würde. Ich solle bitte
zum Kernspin fahren und wir würden dann weiter sehen.
Da ich
noch komplett sediert war von der Nacht, sagte ich einfach nur zu
allem „ja“.
Das
Kernspin ergab: Massiver Bandscheibenvorfall L4/L5 mit Parese
(Teillähmung der linken Fußes, Fußheberschwäche etc.)
Es war
Freitag, der 14. März 2003, 20.00 Uhr. Ich lag im OP. Es waren nicht
einmal 12 Stunden vergangen. So langsam begriff ich, wieso die Ärzte
mich ständig gefragt hatten, ob ich mich erinnern könnte, ab wann die
Lähmung eingetreten war. Das konnte ich präzise genau sagen und das
war wohl mein Glück. Ich mußte operiert werden. Hätte ich das nicht so
entschieden, hätte ich vielleicht heute ein lahmes Bein.
So habe
ich die große Hoffnung, bald wieder jeden zweiten Abend zu laufen und
mich auszupowern. Das ist für eine riesige Lebensqualität und ich
hatte gerade ein Jahr damit begonnen und mich und meinen Wert wieder
entdeckt, als sich meine Wirbelsäule meldete.
Auch wenn
diese Schilderung traurig klingen mag, so habe ich doch viel Kraft
daraus bekommen und vor allem bin ich noch aufmerksamer, wenn es darum
geht, Menschen an mich heranzulassen. Die jedenfalls, von denen ich
glaubte, sie liebten mich, sind heute nicht mehr in meiner Nähe.
Anderen dagegen kann ich wieder ein strahlendes Lächeln schenken und
dabei Glück empfinden.
Birgit
Oktober 2003