Birgit, geb. am 11. Dezember 1954

 

48 Jahre alt, lebe allein in Nettetal in der Nähe von Düsseldorf

 


Für mich begann alles am 14. März 2003. Ich war schon einige Tage von der Arbeit ferngeblieben, weil es in meinem Lendenwirbelbereich doch gar zu sehr zwackte und ich damals glaubte, ein ABC-Pflaster – sensitive- würde mir schon helfen, so wie es immer half, wenn mich diese Hexe heimgesucht hatte. 

Vor vielen Jahren war ich einmal bei einem Orthopäden, da eines meiner Beine bis zur Leiste „ausgefallen“ war. Damals sagte mir dieser Arzt, ich hätte eine Lendenwirbelvorwölbung und wir bekämen das schon wieder hin. Ich hatte keine Ahnung, was ich genau hatte und war viel zu sehr mit meinem Leben und meinen Liebschaften beschäftigt, als dass ich mir Gedanken machte. Der kriegt das schon hin, dachte ich. Dann vergingen Jahre und ich hatte absolut keine Beschwerden. Die Zeit verging, aber die Vorwölbung schien geblieben zu sein. Hätte ich damals schon gewußt, dass ich mit gezielten Übungen gegebenenfalls etwas hätte prophylaktisch tun können, hätte ich es vielleicht gemacht. Aber damals war ich zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt. 

Am 10. März 2003 war mein letzter Arbeitstag. Es war dumm, denn gerade an diesem Tag sollte meine „Verstärkung“ kommen, eine zweite Sekretärin, die ich außerdem mit ausgesucht hatte. Es war mir so peinlich, aber meine Schmerzen wurden immer stärker. So sandte ich unseren Boten zu einem Blumenladen, überreichte meiner neuen Kollegin den Strauß fuhr nach Hause. Die nächsten Tage verbrachte ich vorwiegend mit Paracetamol, da ich eine Aspirin-Allergie habe. In der Nacht vom 13. auf den 14. März 2003 habe ich mich in unser kleines hiesiges Krankenhaus eingeliefert. Der Taxifahrer hat sicherlich noch selten jemanden so schreien hören. In dem Krankenhaus meinten die Ärzte zwar, ich sei ein Fall für die Orthopädie, aber diese würde nachts nicht aufnehmen. Später erfuhr ich, dass das nicht stimmte. So wurde ich vollgepumpt mit Schmerzmitteln und bin mit dem Tropf die halbe restliche Nacht über den Flur des Krankenhauses gegangen. Am Morgen des 14. März 2003 habe ich mich selbst entlassen und bin nach Hause gefahren. Nur noch in mein eigenes Bett, dachte ich. Dort wurde ich gegen 11.00 Uhr wach und verspürte keinerlei Schmerz mehr in meinem linken Bein. Aber nicht genug! Mein linker Fuß existierte nicht mehr. Er war weg! Er war gelähmt. Ich dachte nur eines: Schnell Handeln! Ich bin mit dem lahmen Fuß irgendwie Auto gefahren und habe meinen behandelnden Orthopäden aufgesucht, der mich umgehend telefonisch in die Orthopädie einwies. Als ich bei ihm ankam und ausstieg und direkt im Sand landete, dachte ich, dass ich jetzt wohl für immer und ewig ein Krüppel sein würde. Aber meine Trauer verging, denn ich hatte kaum Zeit, mich zu fangen. In der Orthopädie angekommen, meinte der Professor, dass es eventuell eine Not-OP geben würde. Ich solle bitte zum Kernspin fahren und wir würden dann weiter sehen.

Da ich noch komplett sediert war von der Nacht, sagte ich einfach nur zu allem „ja“.

Das Kernspin ergab: Massiver Bandscheibenvorfall L4/L5 mit Parese (Teillähmung der linken Fußes, Fußheberschwäche etc.)

Es war Freitag, der 14. März 2003, 20.00 Uhr. Ich lag im OP. Es waren nicht einmal 12 Stunden vergangen. So langsam begriff ich, wieso die Ärzte mich ständig gefragt hatten, ob ich mich erinnern könnte, ab wann die Lähmung eingetreten war. Das konnte ich präzise genau sagen und das war wohl mein Glück. Ich mußte operiert werden. Hätte ich das nicht so entschieden, hätte ich vielleicht heute ein lahmes Bein.

So habe ich die große Hoffnung, bald wieder jeden zweiten Abend zu laufen und mich auszupowern. Das ist für eine riesige Lebensqualität und ich hatte gerade ein Jahr damit begonnen und mich und meinen Wert wieder entdeckt, als sich meine Wirbelsäule meldete.

Auch wenn diese Schilderung traurig klingen mag, so habe ich doch viel Kraft daraus bekommen und vor allem bin ich noch aufmerksamer, wenn es darum geht, Menschen an mich heranzulassen. Die jedenfalls, von denen ich glaubte, sie liebten mich, sind heute nicht mehr in meiner Nähe. Anderen dagegen kann ich wieder ein strahlendes Lächeln schenken und dabei Glück empfinden.

Birgit

Oktober 2003